Berlin. Ob am Rücken, im Gesicht oder in der Bikinizone: An allen Körperteilen können Riesenmuttermale auftreten. Derartige Hautverfärbungen sind sehr selten, führen bei Eltern betroffener Kinder oft zu einem Schock. Die Angst vor Folgeerkrankungen ist groß.

Jahre des Andersseins können Kinder auf unterschiedliche Weise prägen. Aufgewachsen mit einem riesigen Muttermal mitten im Gesicht, wollte sich ein Mädchen im Teenageralter plötzlich doch nicht mehr dessen Ausläufer am Augenlid wegoperieren lassen. "Zum Teil gibt es ein regelrechtes Zugehörigkeitsgefühl.

Ein kleiner Leberfleck macht im Geist des Pubertierenden manchmal mehr aus als ein Muttermal", sagt Kinderchirurg Rainer Grantzow vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nicht alle Jugendlichen mit Riesenmuttermal akzeptieren sich, wie sie sind, weiß Grantzow. "Viele Kinder gehen damit aber sehr selbstbewusst um. Sie kennen sich ja nicht anders", sagt er.

Schock für Eltern im Kreißsaal

Denn Riesenmuttermale, oder im Fachjargon Riesennävi, sind angeborene Veränderungen der Haut. Ob am Rücken, im Gesicht oder in der Bikinizone: An allen Körperteilen können derartige Fehlbildungen auftreten. Bei Kindern spricht man ab einem Durchmesser von mehr als zehn Zentimetern von einem Riesennävus.

Derartige Hautverfärbungen sind sehr selten. Bei nur einer von 20.000 Geburten kommt ein Kind mit einem Muttermal von maximal zehn Zentimetern zur Welt. Noch größere Muttermale treten sogar nur bei einem von 500.000 Neugeborenen auf. "Da man die Muttermale vor der Geburt nicht erkennen kann, ist der Schock der Eltern dann umso größer", sagt Grantzow. Viele Eltern seien erst einmal mit der Situation überfordert. Wichtig sei daher, dass schon in der Geburtsklinik mit einer intensiven Beratung begonnen werde, empfiehlt der Kinderchirurg.

Angst vor Folgerkrankungen

Neben der Sorge, dass das eigene Kind im Kindergarten oder später in der Schule gehänselt werden könnte, hätten viele Eltern Angst vor Folgerkrankungen. So besteht die Gefahr, dass aus den veränderten Pigmentzellen des Muttermals oder an einer anderen Stelle ein bösartiger Tumor, Melanom genannt, entstehen könne. Tatsächlich sei das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken, bei Patienten mit Riesenmuttermal erhöht, sagt Grantzow. Aufgrund der Seltenheit der übergroßen Nävi sei es aber schwer, das statistisch genau zu erfassen.

Eine besonders gefährliche, wenn auch extrem seltene Komplikation bei Muttermalpatienten ist die sogenannte neurokutane Melanose. Hierbei handelt es sich um eine Veränderung der Pigmentzellen in den Hirnhäuten. "Das kann, muss aber keine neurologischen Schäden hervorrufen", sagt Grantzow.

Mithilfe einer Kernspintomographie könne zwar prophylaktisch bei Säuglingen festgestellt werden, ob es auch auf der Hirnhaut Flecken gebe. "Ich halte das aber nicht für klug, wenn keine klinischen Symptome vorliegen", sagt Grantzow. Flecken allein ließen nämlich noch keine Schlüsse auf die Funktion des Gehirns zu.

Schleifen, schneiden, transplantieren

Mit der Behandlung eines herkömmlichen Riesenmuttermals wird in der Regel nicht lange gewartet, zumal die dunklen Hautpartien bei Kindern mitwachsen. "Im Säuglingsalter fangen wir schon an, weil die Kinder dann am wenigsten mitbekommen", sagt Grantzow.

Bei einem extrem großen Nävus werde zunächst die oberste Hautschicht abgeschliffen. Dies sei aber nur in den ersten vier bis sechs Wochen nach der Geburt möglich und aufgrund des hohen Vernarbungsrisikos ohnehin das letzte Mittel. Bei kleineren Muttermalen warten Mediziner auch schon mal den ersten Geburtstag des Kindes ab. Dann wird der Nävus in mehreren Teiloperationen herausgeschnitten. Drei bis vier Mal könne diese Prozedur im Abstand von mehreren Monaten wiederholt werden, sagt Grantzow. Bei dieser Methode, die durch Hauttransplantationen ergänzt wird, lässt sich ein Muttermal von bis zu sieben Zentimetern Größe entfernen. (dapd)