Wenn für die deutschen Narren der Karneval vorbei ist, bitten die Basler zur Fasnacht

Eine ganze Stadt hält für einen Moment den Atem an. Dann erlischt das elektrische Licht, tausende kleine und große Laternen dominieren die Szenerie. „Morgestraich, vorwärts, Marsch!” Piccolos und Trommeln stimmen einen Marsch an – in brachialer Gewalt, eine Mischung aus Mystik und Mummenschanz, geordnetes Chaos und klar definierte Narrenfreiheit zugleich. Ort des Schauspiels: Basel.

Auch am Montag wird das Spektakel um vier Uhr morgens eingeläutet: „Die Liebe zur Fasnacht beginnt am Morgenstreich”, sagt Felix Rudolf von Rohr, Obmann des Fasnachts-Komitees. Ein dreitätiger Marathon der Narren folgt. Die Basler reden unbescheiden von den „drey scheenschte Dääg”. Seit der Römerzeit wird sie gefeiert, urkundlich erstmals erwähnt wurde die „Böse Fastnacht” im Jahre 1376. Seit der Reformation 1529 wurde das Treiben auf die Woche nach Aschermittwoch verlegt. Seit nunmehr 100 Jahren steht sie unter der Obhut eines Festkomitees. Seitdem zieht die Basler Fasnacht alljährlich zehntausende Besucher in ihren Bann. Und das, obwohl sie so gar nicht ins karnevalistische Grundschema passt.





„Bald ist sie vorbei, die fasnachtslose, die schreckliche Zeit”, frohlockt Narren-Boss Rudolf von Rohr und gibt im Vorfeld der surrealen Party das Aussehen des saisonalen Festabzeichens bekannt. Die Plakette („Blaggedde”), gilt quasi als Eintritts-Vignette zum Straßenfest. Sie ist in vier Varianten – Kupfer, Silber, Gold und als goldhaltiges „Bijou” – für zwischen sechs und 70 Euro auf dem Münsterplatz, Marktplatz, Barfüsserplatz, Claraplatz und im Kasernenareal an verschiedenen Verkaufsständen erhältlich. Anlässlich des Hundertjahr-Jubiläums des Komitees wird für die kommende Massen-Maskerade zudem eine Anstecknadel in Form eines „Ueli” – eine Narren-Figur im Stile Till Eulenspiegels – in Umlauf gebracht. So, wie sie bereits 1911 als erste „Blaggedde” zum Einsatz kam.

Ohne Umzug, den „Cortège”, geht Karneval auch in Basel nicht: Gleich zwei Mal bekommen Zuschauer die Gelegenheit, die oft aufwändig produzierten Motive der Cliquen (Trommler und Pfeifer), der schräg blasenden „Guggemusiken” und der Wagen zu bestaunen. Thematisch angeprangert wird Lokales, Nationales und Internationales, aber auch vor Kirche und Papst wird nicht Halt gemacht. Dabei ist die Fasnacht nicht immer uneingeschränkt lustig, sondern bitterböse, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

Wer die Teilnahme in dämonisch früher Morgenstund nicht bewältigt bekommt, der schaut am Nachmittag ab 13.30 Uhr rund 12 000 registrierten Fasnächtlern auf ihren beiden jeweils vier Kilometern langen Routen zu. Reihenfolge? Fehlanzeige! Es herrscht ein wildes Durcheinander.




Gegen 18 Uhr wird es dann Zeit, sich einen der begehrten Plätze in einer der als „Baizen” bezeichneten Restaurants oder „Cliquenkellern” zu ergattern. Dort lauschen Einheimische und Besucher abends dem Schnitzelbängg. Sänger, die auf Bänken sitzend dramatische Volkswaisen singen! Später am Montagabend zünden die Komitee geführten Fastnacht-Gruppen dann 200 kunstvolle Laternen an. Vor der Kulisse des Münsters.

Für Touristen bietet der Dienstagmorgen die beste Gelegenheit in Ruhe an den Laternen entlangzuschlendern, steigert sich das Gedränge doch im Laufe des Tages minütlich. Bei Einbruch der Dunkelheit verdrückt so mancher ob des pittoresken Lichterspiels, das mitunter als „größte Open-Air-Kunstausstellung der Welt” betitelt wird, eine Freudenträne. Andere besuchen eines der Guggenmusik-Konzerte, die am Abend auf dem Barfüsser-, Markt- und Claraplatz stattfinden. Am Mittwochnachmittag geht es weiter: Erneut drehen die Fasnachtszüge ihre Runden.

Ruhe? Nichts da, wer etwas Stille sucht, der sollte bereits am Vortag des Morgenstreichs vom 22. Februar anreisen. Als Vorboten der Fasnacht treffen sich die Cliquen gegen Abend in der Stadt, um ihre Laternen vom Künstleratelier zum Morgenstreich-Abmarsch-Ort zu transportieren. Die Trommeln bleiben stumm. In den Gassen und Straßen von Basel wird lediglich gepfiffen. Es ist der Moment, an dem die Vorfreude auf „die drey scheenschte Dääg” spürbar ist. „Versuchen Sie nicht zuviel zu verstehen, genießen Sie es einfach”, rät Rudolf von Rohr. Okay!