Es lief in Hamburg und Wien, in Stuttgart und Tokio – und ab 5. Dezember nun auch in Oberhausen: das Musical „Ich war noch niemals in New York“ mit 20 Songs des großen Udo Jürgens. Anlässlich der baldigen Premiere sprachen wir mit dem Sänger und Komponisten, der am 30. September 78 Jahre alt wurde.

Lieber Herr Jürgens, der französische Schriftsteller Rochefoucauld sagte im 17. Jahrhundert: „Es gibt Leistung ohne Erfolg, aber keinen Erfolg ohne Leistung.“ Worin besteht Ihre Lebensleistung?

Udo Jürgens: Leider Gottes kann ich den Satz für die heutige Zeit nicht mehr bestätigen. Es ist etwas Neues eingetreten: Es gibt Erfolg ohne Leistung, wenn auch kurzfristig. Denken Sie daran, wie viele Milliardäre durch Börsenspekulationen entstanden sind. Allerdings waren die meisten schnell wieder pleite. Auch im Showbusiness bieten sich durch die explosionsartigen Möglichkeiten der Vervielfältigung ganz andere Chancen. Ich traue dem Satz nicht mehr so ganz, auch wenn er für langfristigen Erfolg sicher noch stimmt.

Also zum Beispiel für den Erfolg, der Sie über die Jahrzehnte begleitet.

Jürgens: Das wird häufig an mich herangetragen. Aber für mich ist das nicht von großer Bedeutung. Sicher, ich habe ein schönes Haus, kann mir guten Urlaub leisten und ein wunderbares Auto fahren. Aber ich prasse nicht herum. Die Qualität meiner Arbeit ist mir viel wichtiger als mein persönlicher Luxus.

Das Musical „Ich war noch niemals in New York“ ist so etwas wie ein repräsentativer Querschnitt Ihres Schaffens. Oder wird dort doch etwas zusammengefügt, was gar nicht zusammengehört?

Jürgens: Die Story, die Drei-Generationen- Geschichte, ist ja das,was erstaunlich gut ankommt. Es ist das, was jeder, der im Theater sitzt, erlebt: Jeder hat eine Oma, jeder hat eine Mutter, jeder hat einen Vater, und sehr viele haben auch Kinder. Und jeder weiß, was es bedeutet, in verschiedenen Generationen allen gerecht zu werden. Da gibt’s viel Spaß, aber auch Grund zur Nachdenklichkeit.

Was bedeutet das Musical für Sie persönlich?

Jürgens: Das ist ein bisschen wie eine Krönung meines langen Musikerlebens. Dass meine Lieder die Qualität für einen großen Theaterabend haben, habe ich immer geahnt. Bedingung war aber, dass wir eine gute Geschichte finden.Unddas ist uns gelungen.

Welche Empfindungen haben Sie, wenn Sie die Show sehen?

Jürgens: Ich bin an etlichen Stellen sehr berührt. Wenn die Lieder die Dramatik der Handlung im richtigen Augenblick auf den Punkt bringen, geht mir das nah. Dann geht mir mein eigenes Leben durch den Kopf. Die Erinnerung an die Stunden, als ich die Lieder geschrieben habe. Damals als Suchender am Klavier, dem Song auf der Spur, und wie ich ihn plötzlich gefunden habe.

Hebt sich „Ich war noch niemals in New York“ von anderen Produktionen ab? Und wenn ja, wodurch?

Jürgens: Dass die Leute mal ein Tränchen im Auge haben und auf der anderen Seite auch herzlich lachen können. Dass sie kräftig mit dem Fuß mitstampfen können, wenn die Musik so richtig losgeht.Und dass sie manchmal am liebsten mittanzen würden. Diese Mischung ist so wie das Leben selbst: fröhlich und traurig, dramatisch und heiter zugleich.

Wie kommen Ihre Songs auf der Bühne rüber?

Jürgens: Wunderbar! Sie klingen total international und nach Broadway. Das Musical ist überhaupt nicht schmalzig oder kitschig geworden. Es ist modern, und es knallt am richtigen Punkt.

Gefallen Ihnen die Hauptdarsteller für Oberhausen – Charlotte Heinke als TVModeratorin und Karim Khawatmi als Fotograf?

Jürgens: Ich habe die beiden in Stuttgart gesehen, da haben sie mich wirklich begeistert.

Wer so lange im Geschäft ist – Sie haben schon 1950 einen Komponistenwettbewerb des ORF gewonnen –, der liefert in seinen Songs und Texten oft ein Spiegelbild der Gesellschaft: „Ein ehrenwertes Haus“, „Aber bitte mit Sahne“, „GriechischerWein“.

Jürgens: In vielen meiner Lieder erkennen die Menschen die Gegenwart wieder. Obwohl ich als Romantiker gelte, als Schönfärber und Tröster. Ich glaube, in solchen Liedern liegt eine viel größere Wahrheit als in den meisten Rock’n’Roll-Songs.