Berlin. Zu viel Tabakwerbung in Deutschland und zu enge Kontakte zwischen Tabaklobbyisten und Regierung: Das Forum Rauchfrei fordert eine größere Distanz zur Tabakindustrie. Besonders an die FDP richtet sich der harsche Vorwurf der Initiative.
Das Forum Rauchfrei fordert von der Bundesregierung mehr Distanz zur Tabakindustrie. Die Lobbyisten der Branche hätten nach wie vor regelmäßig Zugang zu allerhöchsten Stellen von Parlament und Regierung und könnten dort ihre Vorstellungen gezielt anbringen, kritisierte der Sprecher der Organisation, der Mediziner Johannes Spatz, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd.
Von der Tabakindustrie eingespannt
Insbesondere die FDP lasse sich ganz offensichtlich von der Tabakindustrie einspannen. Gesundheitspolitik werde so auf rein wirtschaftspolitische Fragestellungen reduziert. Dies sei unverantwortlich. Nötig sei mehr Transparenz.
Nach Ansicht des früheren Amtsarztes müsste die Tabakwerbung in Deutschland noch stärker eingeschränkt werden.
Die rückläufige Zahl jugendlicher Raucher könnte durch Werbeverbote weiter gesenkt werden. Die Plakatwerbung sei nach wie vor ebenso erlaubt wie Werbung auf den Packungen selbst. Spatz forderte die Politik auf, nach australischem Vorbild die "neutrale Tabakverpackung" einzuführen, um auch hier keine Werbebotschaften mehr zuzulassen.
"Angstpädagogik ist nicht falsch"
Das enorme Gesundheitsrisiko, das Raucher eingehen, wird nach Einschätzung des Mediziners noch vielfach unterschätzt. "Rauchen ist das mit Abstand größte Risiko überhaupt, es gibt kein vergleichbares Risiko". Wer einmal nach Nikotin süchtig sei, komme kaum noch davon los und schädige seinen Körper über viele Jahre. Statistisch betrachtet, sterbe jeder zweite starke Raucher an den Folgen seiner Sucht, wobei die meisten Raucher im Jugendalter begännen.
Spatz sagte, in dem Zusammenhang sei auch eine "Angstpädagogik" von Eltern und Lehrern "nicht falsch". Den Jugendlichen müsse notfalls auch auf drastische Weise vor Augen geführt werden, dass Rauchen krank macht. Sinnvoll seien beispielsweise Schulbesuche in Kliniken, wo krebskranke Raucher im Endstadium betreut werden. In Heidelberg werde dies schon praktiziert
Keine Genussform
Für gänzlich unsinnig hält der Mediziner hingegen eine Bestrafung von Rauchern etwa über höhere Krankenkassenbeiträge. "Das wäre ungerecht und unsozial." Raucher seien krank und bedürften der Hilfe der Gesellschaft. Spatz betonte: "Rauchen ist eine Sucht, keine Genussform."
Auch die neuen elektronischen Zigaretten, sogenannte E-Zigaretten, sieht Spatz skeptisch. Zwar seien diese "beileibe nicht so gefährlich" wie herkömmliche Zigaretten. Allerdings sei das Gesundheitsrisiko hier noch "völlig ungeklärt", sagte der Mediziner angesichts der fehlenden Langzeituntersuchungen. (dapd)