Norsjö. Örträsk im hohen Norden Schwedens ist ein Ort mit nur 15 Häusern, hat aber etwas Einmaliges: die mit 13 Kilometern längste Personenseilbahn der Welt.

Mittags kurz vor eins schlägt die Stunde von Bosse Biström. Dann prüft der rüstige Rentner im Steuerstand seiner Personenseilbahn die Anzeigen auf der Kontrollkonsole. "Kabin klar Örträsk, Kabin klar Mensträsk", leuchten die Lämpchen auf. Biström drückt ein paar Knöpfe, und dumpfes Brummen erschallt in der Gondelstation.

14 Personengondeln verlassen wenig später die Seilbahnstation in Örträsk, jeweils vier Fahrgäste passen in die kleinen Kabinen auf der Reise in Richtung Mensträsk. Von dort setzen sich zeitgleich ebenfalls 14 Gondeln in Bewegung. In der Mitte der Kabinen ein Klapptisch mit Landkarte zur Orientierung, ein Funkgerät für Notfälle und auf Wunsch der Seilbahnlunch: Rentierschinken an Kartoffelsalat.

"Mit 112 Fahrgästen sind wir heute voll gebucht", freut sich Biström. Die Personenseilbahn zwischen Örträsk und Mensträsk ist zur Lebensaufgabe für Bosse Biström und seine Frau Marie-Louise Eklund geworden. Sie sind die stolzen Besitzer der Linbana, die es mit ihrer Streckenlänge von 13,613 Kilometer im Dezember 1989 ins "Guinness Buch der Rekorde" schaffte: als längste Personenseilbahn der Welt.

Rohstofflieferungen ans Deutsche Reich

Rund zwei Stunden dauert die Gondelei in der Provinz Västerbotten. Dichte Birkenwälder, Bäche sowie die Seen Örusträsket und Mensträsket werden gemächlich überquert. Mit rund elf Stundenkilometern fährt die Bahn. Mögen andere Personenseilbahnen sich kühn von Gipfel zu Gipfel spannen - die Linbana in Lappland kann hier nicht mithalten: Zwischen 7 und 26 Meter pendeln die Gondeln über dem grünen Grund, passieren unterwegs drei Spannstationen der Tragseile und 73 Betonmasten.

Fahrgäste aus aller Herren Länder finden den weiten Weg in den gerade mal 20 Einwohner zählenden Flecken Örträsk. Schwedische Urlauber natürlich, dazu Gäste aus Deutschland, den Alpenländern und Großbritannien. "Fahrgäste aus Deutschland schätzen vor allem die Ruhe während der Fahrt", sagt Marie-Louise Eklund.

Heute ist die Seilbahn eine Touristenattraktion, vor mehr als 70 Jahren löste sie ein Logistikproblem: den Transport edelmetallhaltigen Gesteins von der Mine in Kristineberg ostwärts bis zum 100 Kilometer entfernten Ort Boliden mit der Bahnlinie und dem Scheidewerk.

Europa war im Krieg, Metalle aus Schweden waren begehrt. Offiziell war Schweden neutral, lieferte dennoch Rohstoffe an das Deutsche Reich. Straßen oder eine Eisenbahnlinie anzulegen - das hätte in der Wildnis von Lappland zu lange gedauert. Stattdessen zogen ab April 1942 bis zu 1500 Arbeiter in die Einsamkeit - mit dem Auftrag: Bau einer Kübeltransportseilbahn.

"Eine Epoche ging plötzlich zu Ende"

Genau ein Jahr und fünf Tage schufteten die Männer, legten 120 Kilometer Forstwege an und schafften 60.000 Tonnen Baumaterial herbei. Schnurgerade wie mit dem Lineal gezogen wurde der Verlauf der Bahn geplant, dazu rammten die Männer 515 Betonmasten in Waldboden, Moore und Seen. Eklund erinnert sich: "Mein Vater war einer der Bauarbeiter. Anfangs haben sie den Beton noch mit der Hand gemischt, erst später hatten sie dafür Maschinen. Der Winter 1942/43 war besonders hart für die Arbeiter."

Doch am 14. April 1943 ging die Bahn in Betrieb, über die sagenhafte Länge von 95,88 Kilometern. Bis zu 1500 Transportkörbe, prall gefüllt mit wertvollem Gestein, pendelten Jahr für Jahr zwischen Kristineberg und Boliden.

Nach 44 Jahren kam am 9. Januar 1987 das Aus für die Seilbahn. Als eine umfassende Modernisierung der Linie anstand, stellte die Bergbaugesellschaft fest, dass der Transport per Lkw billiger ist. "Das war ein Schock für uns, eine Epoche ging plötzlich zu Ende", so Biström, der damals als Wartungstechniker bei der Seilbahngesellschaft arbeitete.

Seilbahncafé mit nostalgischem Mobiliar

Ein Ende und ein Neubeginn: Ehemalige Beschäftigte der Bahn gründeten in Norsjö den "Club der Freunde der längsten Seilbahn der Welt" (Världens Längsta Linbana Örträsk-Mensträsk) mit dem Ziel, wenigstens einen Teilabschnitt des ungewöhnlichen Bauwerks als Kulturdenkmal zu erhalten. Nur zwei Jahre benötigten die Bahn-Begeisterten für die Renovierung der Teilstrecke ab Örträsk. Die Geldmittel - mehrere Millionen Schwedenkronen - kamen von den Gemeinden der Region und vom Staat.

"Am 13. Juli 1989 konnten wir die erste Fahrt mit Touristen starten. Das war ein großer Tag für die Region", erinnert sich Bosse Biström. Seitdem geraten jeden Sommer rund 10.000 Gäste in den schwedischen Schwebezustand. Vor der Tour machen sie einen Rundgang in dem kleinen Museum, das die Geschichte der Transportbahn aufzeigt. Gleich nebenan entführt das Seilbahncafé mit dem nostalgischen Mobiliar in vergangene Zeiten. (dpa)