Mainz. Um zu wissen, was Allergiker peinigt, fehlen bisher genauere Infos über den Pollenflug und die eigene Belastung. Die Idee, eine deutschlandweite Pollenflug-Karte zu erstellen, schlug bereits einmal fehl. Ein kleines neues Gerät könnte dieser Idee eine zweite Chance geben.
Es ist nur ein kleines Gerät, doch es könnte vielen Allergikern in Deutschland große Dienste leisten. Der Mainzer Geoinformatiker Klaus Böhm (48) und der Softwareentwickler Torsten Sehlinger (38) entwickeln gemeinsam einen persönlichen Pollensammler: Er soll die eigene Allergiebelastung messen. Noch ist das Gerät in der Entwicklung. In diesen Tagen beginnt dazu eine Studie an der Berliner Charité. 12 bis 16 Millionen Pollenallergiker gibt es bundesweit, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Allergologie. Grund genug für die beiden Mainzer Forscher, der Belastung auf den Grund zu gehen. Denn bisher hat die Pollenmessung noch Defizite.
Wem die Nase juckt oder wer tränende Augen vor allem im Frühjahr oder Sommer hat, kann sich auf Allergien untersuchen lassen - per "Prick-Test". "Wenn man Antikörper gegen die Eiweiße von Birkenpollen hat, entsteht dort eine Schwellung und Rötung", sagt Allergologe Karl-Christian Bergmann (71) von der Berliner Charité. "Dann kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen: Es ist ein Heuschnupfen mit Birkenpollen." Dazu kommen Infos von Pollensammlern an rund 45 Orten in Deutschland - Messstationen in etwa 15 Meter Höhe. "Damit wissen wir ungefähr, was in Deutschland 'rumfliegt. Was in zehn Kilometer Entfernung fliegt, können wir aber nur ahnen und schätzen das."
Allergiker helfen Allergikern
Vor rund sechs Jahren hatte Geoinformatiker Böhm die Idee, die persönlichen Allergie-Symptome aufzuzeichnen und sie auf die Konzentration von Pollen in der Umgebung zu beziehen. "Allergiker sollten deutschlandweit ihre Symptome in einem digitalen Tagebuch eintragen. Dann konnte man auf einer Karte erkennen, wie geht's mir, wie geht's den Leuten in meiner Nachbarschaft?", berichtet der Mainzer Fachhochschulprofessor. Die Infos des Tagebuches wurden mit den Pollendaten des Deutschen Wetterdienstes vernetzt.
Das hatte aus Sicht des Forschers aber Haken: "Es fehlte die Motivation für die Allergiker, das permanent zu machen. Und die verfügbaren Polleninformationen waren zu unpräzise." Denn wo Sammler fehlen, werden die Werte hochgerechnet. Die nächsten Messstellen für Mainz sind zum Beispiel Bonn, Marburg und Mannheim/Heidelberg. "Es ist eine große Fehlerbreite", sagt Bergmann. "Eine Studie für ein neues Präparat oder eine Immuntherapie ist teuer und kostet in der Größenordnung von einer Million Euro. Da kann man sich solche Unsicherheiten eigentlich nicht leisten."
Technologie kann noch nicht eingesetzt werden
So kommt der "Personal Pollen Sampler" ins Spiel. Das Gerät, das man zum Beispiel am Rucksack tragen kann, saugt Luft an. Sie wird auf einen klebrigen Streifen geleitet, wo Pollen, Ruß und Pilzsporen landen, berichtet Böhms Ex-Student Sehlinger. Der Streifen wird von einem Motor weiterbewegt - so bekommt man ein zeitliches Profil der Pollenbelastung. Dazu wird der Ort per GPS ermittelt. Ein Arzt stellt das Gerät ein, der Patient muss einmal pro Tag oder alle zwei Tage die Kassette wechseln und es aufladen. Auf einer Smartphone-App trägt er seine Beschwerden an Nase, Augen oder Bronchien ein.
Der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) bietet Allergikern im Internet eine Übersicht, wo Pollenflug registriert wird - der Inhalt des "Pollentrends" hängt allerdings davon ab, wie viele Betroffene sich melden. Die Entwicklung des Pollen-Samplers hält der Verband für sinnvoll. "Wenn das erfolgreich wäre, wäre es natürlich sehr hilfreich", sagt Diplom-Biologin Anja Schwalfenberg in Mönchengladbach. Vor allem, um zu wissen, mit welchen Pollen ein Patient in Kontakt komme und welche Therapieform passend sei.
Bergmann, der die Studie mit dem Sampler in Berlin betreut, zeigt sich überzeugt: "Das Gerät wird Interesse finden in der ganzen Welt. Auch von Allergologen und Kliniken wird es genutzt werden", sagt er. "Es wird auch andere Anwendungen im Kindergarten, im Kinderwagen oder im Auto geben." Denn wenn Kinder in einem Monat geboren würden, in dem Pollen fliegen, hätten sie ein höheres Risiko, später Heuschnupfen oder Pollen-Asthma zu bekommen.
Für ihre Entwicklung bekamen Böhm und Sehlinger den Innovationspreis Rheinland-Pfalz 2013. Wann der Pollensammler in der (Arzt-)Praxis eingesetzt werden kann, ist allerdings noch offen. (dpa)