Lüneburg/Leipzig. Absolute Hoffnungslosigkeit. Das Gefühl, nie wieder ein Licht am Ende des Tunnels sehen zu können. Das eigene Leben scheint sinnlos. So beschreiben Depressive oft ihre Gedankenwelt. Ihr Leiden wird häufig übersehen. Dabei gibt es gute Behandlungsmöglichkeiten.
Jede Bewegung kostet unheimliche Überwindung, Körper und Herz sind taub, Emotionen gibt es nicht mehr - nur noch ein grauer, farbloser Schleier, der über jedem Tag liegt. Norbert Sobiejewski kennt diesen Zustand seit 50 Jahren. Im Alter von 13 Jahren fing es an, mit 16 ertränkte er den Schmerz mit Alkohol. Erst als er 40 war, diagnostizierte ein Arzt die Depression. Wie sich die Krankheit anfühlt, ist schwer zu erklären.
Gefühl der absoluten Sinnlosigkeit
Die Depression ist eine der bedeutendsten Krankheiten weltweit - und wird noch immer unterschätzt. Insgesamt leiden in Deutschland nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe derzeit etwa vier Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression. Es könnten aber auch mehr sein.
Depression ist das Gefühl der absoluten Sinnlosigkeit und die Überzeugung, dass sich dieser Zustand niemals bessern wird. Gefühle, die das Leben lebenswert machen, sind wie betäubt. Deswegen interessieren sich Depressive auch kaum noch für etwas. Manche sind außerdem nervös, ängstlich und angespannt. Zusätzlich sind körperliche Schmerzen möglich - ohne physische Ursache. Bis zu 70 Prozent der Patienten mit Depression gehen nur wegen körperlicher Symptome zum Hausarzt, schätzt Prof. Ulrich Hegerl von der Universität Leipzig, Vorsitzender der Deutschen Depressionshilfe.
Den Verdacht auf eine Depression ansprechen
Deswegen ist es wichtig, bei der Suche nach Hilfe mit dem Arzt auch über Gefühle zu reden und den Verdacht auf eine Depression anzusprechen. Sobiejewskis Arzt hat die Depression nicht sofort erkannt. Sie ist anfangs leicht zu übersehen. Wenn die Depression stark ist oder wenn sich Selbsttötungsgedanken aufdrängen, hilft erst nur eine stationäre Behandlung. Bei leichteren Formen der Depression sind Psychotherapie und eventuell Medikamente Mittel der Wahl.
Die Medikamente behandeln die körperliche Seite der Depression: Sie wirken auf Botenstoffe im Gehirn, die neben äußeren Umständen ebenfalls für Depressionen verantwortlich sind. Abhängig machten Antidepressiva nicht, betont Hegerl. Die Therapie behandelt die psychosoziale Seite der Krankheit. Sie hilft, Konflikte zu lösen, die Kommunikation mit anderen zu verbessern, Stress zu bewältigen. Der Patient lernt, mit der Depression umzugehen, den Beginn neuer Depressionsschübe zu erkennen und entsprechend entgegenzuwirken.
Angst vor dem Stigma einer psychischen Erkrankung
Droht keine akute Gefahr für den Patienten, ist die Behandlung ambulant möglich. "Prinzipiell wissen wir, dass es depressiven Menschen gut tut, eher in ihrem System mit Arbeit, Beziehung und Hobbys zu bleiben", sagt Nico Niedermeier, niedergelassener Psychotherapeut in München. Häufig wissen Angehörige nicht, wie sie mit dem Kranken umgehen sollen, verstehen die Depression nicht. Deswegen rät Niedermeier ihnen: "Holen Sie sich selbst Hilfe." Im Internet oder in Selbsthilfegruppen können sich Angehörige austauschen, sich die eigene Last von der Seele reden.
Selbsthilfegruppen gibt es natürlich auch für die Betroffenen. Viele Menschen haben Angst vor dem Stigma einer psychischen Erkrankung. Umso wichtiger ist es, Menschen kennenzulernen, die das Problem kennen und verstehen. Norbert Sobiejewski hat selbst in Lüneburg zwei Selbsthilfegruppen gegründet. Der 64-Jährige weiß, wie es ist, mit der Krankheit zu leben. Eine Gesprächstherapie hat ihm geholfen, damit umzugehen. Doch noch immer hat er Suizidgedanken. Er sagt aber: "Heute kann ich mir Hilfe holen, wenn ich in ein Loch falle." Und mit Hilfe von Therapeuten und anderen Betroffenen findet er aus dem Loch auch wieder heraus. (dpa)