Düsseldorf/Duisburg/Herne. Sie meinen es wahrscheinlich nur gut: Viele Eltern kutschieren ihren Nachwuchs im Auto bis direkt vors Schultor. So lernen ihre Kinder aber nicht, sich sicher im Verkehr zu bewegen. Außerdem werden andere gefährdet. Schulen und Regierung setzen jetzt auf “Eltern-Haltestellen“ im Umfeld der Schule.

Mit dem Schuljahresbeginn kehrt das allmorgendliche Park-Chaos vor Grundschulen zurück: Eltern, die versuchen, ihre Kinder möglichst auf dem Schulhof abzusetzen. Schüler, die versuchen, von diesen Eltern nicht überfahren zu werden.

Um dieser unseligen Situation Herr zu werden, setzen mehrere Städte in NRW, darunter Marl, Duisburg und Herne, auf ein neues Konzept: Eltern-Haltestellen. Dazu wurden im Umfeld der Grundschulen Parkplätze eingerichtet, auf denen Eltern ihr Auto abstellen können, um die letzten Meter des Schulwegs gemeinsam mit ihrem Kind zu Fuß zurückzulegen. In einigen Städten sichern Eltern-Lotsen den Weg vom Parkplatz bis zur Schule, damit die Kinder auch ohne elterliche Begleitung heil ankommen.

Minister Groschek fordert: Kinder müssen im Verkehr üben dürfen

Die Landesregierung unterstützt den Ansatz. „Wer aus Bequemlichkeit oder übertriebener Sorge seine Kinder mit dem Auto zur Schule fährt, vergibt eine Chance“, sagt Verkehrsminister Michael Groschek (SPD). Die Kinder müssten die Möglichkeit bekommen, aktiv im Straßenverkehr zu üben. Wer das nicht zulasse, nehme den Kindern wichtige Erfahrungen, durch die sie unabhängig und selbstsicher werden.“

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Ganz praktische Vorteile eines kurzen Fußmarsches vor Schulbeginn nennt der Präsident der Landesverkehrswacht, Heinz Hardt: "Kurz vor Schulbeginn noch etwas frische Luft tanken und sich im Freien bewegen, tut allen Kindern gut. Dadurch sind sie im Unterricht konzentrierter."

Zaubersterne als Belohnung für Fußgänger

Doch so gut die Idee auch sein mag: Praktiker bezweifeln, dass die Eltern mitspielen. "Die sind beratungsresistend", heißt es vielfach, wenn man Polizisten auf "Eltern-Taxis" anspricht. "Da können sie auch mit den Elefanten im Zoo diskutieren", bringt es der Sprecher der Duisburger Polizei auf den Punkt.

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Deshalb haben mehrere Schulen ein Belohnungskonzept, das sich an die Kinder richtet: Wer zu Fuß und mit Warnweste zur Schule kommen, erhält einen Zauberstern für die Klassenkasse. Hat eine Klasse 500 Sterne gesammelt, gibt es eine Belohnung, etwa eine Spielstunde oder eine verlängerte Pause.

Experten kritisieren "Helikopter-Eltern"

Doch das Belohnungssystem ist umstritten: "Da werden Kinder benachteiligt, die absolut nichts dafür können", sagt Ilse Führer-Lehner, Bildungsreferentin bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Sie sieht die Gefahr, dass Kinder dem kollektiven Druck der Klasse ausgesetzt würden, Sterne zu liefern. Außerdem müsse man beachten, dass nicht alle Eltern genug Zeit hätten, ihre Kinder zu Fuß zur Schule zu bringen.

Grundsätzlich schließt sie sich aber der Meinung anderer Erziehungs-Experten an, die es begrüßen, wenn Eltern ihren Kindern auf dem Schulweg Freiräume einräumen. "Die Überbehütung durch Eltern hat in den letzten Jahren Überhand genommen. Manche Eltern fahren ihre Kinder sogar für einen Weg von 300 Metern zur Schule und verstopfen dadurch die Straßen", sagt Josef Kraus, Autor des Buches "Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Überbehütung". Eltern hätten längst eine gesundes Maß im Umgang mit ihren Kindern verloren.