Wittenberg. Schluss mit komplett unterschiedlichen Anforderungen von Bundesland zu Bundesland: Das Abitur soll bundesweit vergleichbarer werden, ein Zentralabitur wird aber abgelehnt. Sechs Bundesländer starten bereits 2014 mit abgestimmten Aufgaben in einigen Fächern. NRW ist nicht dabei.

Das Abitur wird künftig von Bundesland zu Bundesland vergleichbarer. Nach Angaben des Präsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK), Stephan Dorgerloh (SPD), haben sich einstimmig alle Bundesländer für den Aufbau eines gemeinsamen zentralen Aufgabenpools ausgesprochen.

Ab dem Schuljahr 2016/17 können die Länder aus diesem Pool Aufgaben für ihre Reifeprüfungen abrufen. Das sagte Dorgerloh am Freitag nach einem Treffen der Kultusminister in der Lutherstadt Wittenberg. Er sprach von einem "einem Kulturwandel beim Abitur"

Mehr Mobilität von Schülern und Lehrern

Die Aufgaben werden von den Ländern für den Pool geliefert und dann von Wissenschaftlern des ländereigenen Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) überprüft. "Das Beste aus den Ländern kommt in den Pool", sagte Dorgerloh.

Zentrales Abitur
Zentrales Abitur

Der "Wittenberger Beschluss" stellt nach seinen Worten sicher, dass gleiche Schwierigkeitsgrade und Bewertungsmaßstäbe für mehr Mobilität von Schülern und Lehrern sorgen. Zunächst geht es um die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch. Die Naturwissenschaften sollen folgen.

Ein Zentralabitur, in dem alle Gymnasien bundesweit am selben Tag dieselbe Prüfung ablehnen, ist allerdings nicht angestrebt. Bildungsexperten verweisen darauf, dass dies schon wegen der unterschiedlichen Ferientermine in Deutschland nicht realisierbar sei.

Zukunft für Lehramtsstudenten

Unterdessen wollen sechs Länder an ihrem Plan festhalten, bereits im kommenden Jahr mit gemeinsam abgestimmten Aufgaben in Mathematik, Deutsch und Englisch zu starten. Dies sind Bayern, Sachsen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

225 Jahre Abitur - Reifeprüfung im Wandel

Das erste preußische Abiturreglement stammt aus dem Jahre 1788. Ab 1834 verlangten dann nicht nur Preußen, sondern auch die übrigen Staaten des Deutschen Bundes ein "Zeugnis der wissenschaftlichen Vorbereitung zum Studium" als Voraussetzung für die Einschreibung an einer Universität. Zum Teil mussten die Abiturarbeiten noch in lateinischer Sprache geschrieben werden.

Die wohl größte Reform erfolgte 1972 mit der Einführung der gymnasialen Oberstufe. Dabei wurden der feste, zuvor im Klassenverband unterrichtete Fächerkanon aufgelöst und Wahlfreiheit zwischen Grund- und speziellen Leistungskursen eingeführt. 1987 wurde dies zum Teil wieder revidiert: In der Oberstufe müssen seitdem von allen Schülern mindestens zwei Fächer aus der Gruppe Deutsch, Fremdsprache und Mathematik durchgehend bis zum Abitur belegt werden.

1995 verständigten sich die Kultusminister darüber, dass von der fünften Klasse an bis zum Abitur mindestens 265 Wochenstunden Unterricht bis zur Reifeprüfung erteilt sein müssen. Dies führt bei einem Abitur nach zwölf Schuljahren im Schnitt zu rund 33 Stunden Unterricht pro Woche, bei einem Abitur nach 13 Schuljahren zu rund 29,5 Stunden.

Die pädagogische Vielfalt in Deutschland würde durch den gemeinsamen Aufgabenpool nicht abgeschafft, es gehe vielmehr um die vergleichbare Schwierigkeit, Qualität und Bewertung beim Abitur, sagte Dorgerloh. "Das Anforderungsniveau wird am Ende gleich sein."

Die Kultusminister beschäftigten sich auch mit dem Lehrerbedarf bis zum Jahr 2025. Danach gibt es einen gespaltenen Arbeitsmarkt für Pädagogen.

Für das Gymnasium wird deutschlandweit ein Überangebot an ausgebildeten Lehrern verzeichnet. Dagegen fehlt es an Berufsschullehren. Nach Berechnungen der KMK Lehramtsstudenten in den ostdeutschen Ländern besser Jobchancen: Dort fehlen jährlich rund 600 Lehrer.

Abiturienten, die ein Lehramtsstudium aufnehmen wollen, sollten sich deshalb zuvor eingehend über die künftigen Einstellungschancen informieren, heißt es in einer Mitteilung der Kultusministerkonferenz. (dpa/afp)