Mülheim.. 840 Container dienen den Mülheimer Studenten für die nächsten drei Jahre als Hörsaal-Ersatz. Solange wird an dem neuen Sitz der Fachhochschule noch gebaut. Doch das 14 Millionen Euro teure Provisorium ist gut ausgestattet: Mensa, Labor und Büros - alles ist vorhanden.
Es lässt sich schön in einem Schloss oder in einer fürstbischöflichen Residenz studieren, wie die Bonner und Münsteraner es schon in vergangenen Jahrhunderten erfahren durften. Es geht natürlich auch schlichter: Der Mülheimer Student des Jahres 2012 wird in Containern lernen. Baubuden statt Baukunst. Kein Witz, eine pfiffige Notlösung. In Mülheim entsteht zurzeit die größte mobile Hochschule Deutschlands. Schlüsselfertig, in drei Bauabschnitten.
Die Sattelschlepper beliefern fast im Akkord den Campus. Er entsteht im Windschatten der großen Industrie, wo Mannesmann und Siemens quasi Nachbarn sind und die Spuren der Stahlrohre den Boden markieren. Die Gegend sieht nach Maloche aus. Ein Quartier im Norden der Stadt. Grün? Fehlanzeige, das kommt, wenn die Studenten kommen, im Frühjahr.
840 Container für 1500 Studenten
Rund 840 Container, je drei Tonnen schwer, werden über- und nebeneinander gestapelt, in denen bis zu 1500 Studenten und 140 Hochschullehrer studentisches Leben praktizieren werden, voraussichtlich drei Jahre, bis der eigentliche Neubau der Hochschule Ruhr West fertig gebaut sein wird.
Die Container liefert das Unternehmen Fagsi aus Morsbach-Lichtenberg, das überall dort, wo schnell Raum benötigt wird, einspringt und Büros, Kindergärten, Schulen, selbst Banken im Eiltempo aufbaut, und das für Wochen, Monate, oder auch Jahre, wie jetzt in Mülheim. Eine Hochschule, sagt Thomas Nauroth von Fagsi, habe man aber noch nie aufgebaut, noch nie so etwas Großes. Drei Hochschulbauten mit rund 15 000 Quadratmetern Nutzfläche umfasst der Komplex. 500 Quadratmeter Hochschule pro Tag beträgt der Schnitt der Bauherren. In Windeseile wurden Kanäle gezogen, Kabel verlegt, die Energiezufuhr sichergestellt.
Auch eine provisorische Mensa entsteht
Es wird Seminarräume, Labore, eine Mensa, mehrere Hörsäle, Besprechungsräume, Diensträume, eine große Bibliothek, Aufzüge, Heizung, Klimaanlage geben. Eine voll funktionsfähige Uni eben. Es werden Wände zusammengeschraubt, nach hinten und oben geöffnet. Platzangst soll keiner im Hörsaal für 100 Studenten bekommen. Angehende Naturwissenschaftler, Bauingenieure, Wirtschaftsinformatiker und Studenten des neuen Studienganges Mensch-Technik-Interaktion werden dort lernen.
„Ich freue mich, dass dies möglich geworden ist“, sagt Rektor Prof. Eberhard Menzel. Er glaubt, dass es nur im Hafen von Hamburg oder Bremerhaven mehr Container auf einem Fleck gibt. „Studenten und Professoren können sich auf einen Hochschulbetrieb mit allen modernen Voraussetzungen freuen“, verspricht der Projektentwickler, Imoba-Chef H. Theo Höckesfeld.
Ursprünglich sollte das Kaufland-Haus genutzt werden
Die Idee der Container als Zwischenlösung war eine schwere Geburt. Der ursprüngliche Wunsch, ein bestehendes Gebäude innenstadtnah zu nutzen, zerschlug sich. Der ehemalige Kaufhof in der Innenstadt wurde durchgerechnet und verworfen – wegen der Umbauten viel zu teuer.
Die Zeit drängte. Mit jedem Semester wächst die Hochschule, an der 830 junge Leute studieren, verteilt auf die Stadt. Und ein Gebäude jenseits der Stadtgrenze? Nein, eine Perle wie eine technisch-naturwissenschaftliche Hochschule, die auch ein Standbein in Bottrop besitzt, wollte man in der Gründerphase nicht „außer Haus“ lassen.
14 Millionen Euro kostet das Projekt
Das Container-Dorf soll die preiswerteste Lösung für den Steuerzahler sein, sagen die Beteiligten. Dabei ist auch das nicht billig: 14 Millionen Euro. Die Hochschule ist Mieter, die Miete zahlt das Land an den Investor und Projektsteuerer, die Imoba Immobilien GmbH in Mülheim.
Fagsi baut die Pavillons, das Grün, die Wege, die Schilder und was sonst noch da ist nach drei Jahren auch ab, wenn die Denkfabrik weiterzieht – hinter das Schloss Broich. Was dann schon ganz anders klingt.