Düsseldorf. . Täuschen ist kein Kavaliersdelikt, sagt Ulrich von Alemann, Pro-Rektor der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität Aber Plagiate wie im Fall von Verteidigungsminister zu Guttenberg seien in der Wissenschaft „die Ausnahme“, meint er.

„Fälschungen gibt es, seitdem es Papier gibt. Und Plagiate, seitdem es Prüfungen gibt“, meint Ulrich von Alemann, Politikwissenschaftler und Pro-Rektor der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Uni. Vor dem Hintergrund der massiven Plagiats-Vorwürfe gegen Verteidigungsminister zu Guttenberg, verwehrt er sich aber dagegen, wenn nun viele meinen, Tricksen und Fälschen gehörten doch zum Uni-Alltag: „Das sind Ausnahmen und nicht der Normalfall.“

An der Düsseldorfer Hochschule werden über 400 Doktorarbeiten pro Jahr eingereicht. Wie kann man sich da vor Plagiaten schützen?

Ulrich von Alemann: Wenn sich jemand bei anderen bedient hat, wird das von uns nicht als Kavaliersdelikt hingenommen, sondern bestraft. Bei Haus- oder Magisterarbeiten wird die Arbeit mit einer Fünf bewertet, also als „nicht bestanden“. Außerdem wird ein Bußgeld von bis zu 500 Euro verhängt. Zurzeit läuft ein Prozess am Verwaltungsgericht, wo zwei Studenten gegen dieses Bußgeld klagen. Bei Wiederholung kann das Bußgeld bis zu 50.000 Euro betragen, außerdem können wir denjenigen von der Universität weisen. Das ist aber noch nie passiert. Wir haben auch noch nie jemandem den Doktortitel aberkannt.

Werden Dissertationen systematisch oder nur bei Verdacht auf Plagiate überprüft?

Prof. Dr. Ulrich von Alemann, Prorektor für Lehre und Studienqualität an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. (Foto: Llepke/’WAZ FotoPool)
Prof. Dr. Ulrich von Alemann, Prorektor für Lehre und Studienqualität an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. (Foto: Llepke/’WAZ FotoPool) © sergej lepke

Ulrich von Alemann: Wir überprüfen nur bei Verdacht und setzen dazu eine spezielle Software ein.

Und was erregt Ihren Verdacht?

Ulrich von Alemann: Stilbrüche, wenn jemand plötzlich von einer wissenschaftlichen Sprache in Alltagssprache verfällt. Oder auch bei inhaltlichen Brüchen. Oder wenn Fußnoten nicht zum Text passen. Wir hatten mal das eklatante Beispiel, dass in einer Arbeit von 50 Fußnoten 45 reine Fantasie waren.

Welche Rolle spielen heute die Möglichkeiten des Internets, wenn jemand täuschen will?

Ulrich von Alemann: Das ist viel leichter geworden. Aber die Möglichkeiten der Kontrolle auch. Und eines muss man dazu sagen: Das Bewusstsein für dieses Problem ist an der Uni sehr ausgeprägt. Wenn jemand eine Handvoll Fußnoten ‚vergessen’ hat, würden wir das als Schlamperei bewerten und derjenige könnte nachbessern. Bei vielen fehlenden Fußnoten ist das kein Versehen sondern ein systematisches Vergehen.

Weiß das jeder Studierende?

Ulrich von Alemann: Ja, denn in jedem Fach werden Kurse angeboten, in denen Studierende lernen, wie man korrekt recherchiert und zitiert. Und wir sagen klar: Plagiate sind nicht erlaubt.

Reicht das aus?

Ulrich von Alemann: In den meisten Fächern ist es üblich, dass zusätzlich zu den schriftlichen Arbeiten eine CD-ROM beigelegt wird, mit deren Hilfe wir übernommene Stellen aus fremden Texten aufspüren können. Außerdem müssen Studenten eine Erklärung unterschreiben, dass sie korrekt gehandelt haben.

Was zählt in der Wissenschaft als das schlimmere Vergehen: Abschreiben oder gleich einen anderen für sich schreiben zu lassen?

Ulrich von Alemann: Beides ist gleichermaßen verwerflich.

Die Zahl der Promotionen ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Warum wollen sich so viele Menschen mit einem Doktortitel schmücken, auch wenn sie gar nicht in der Wissenschaft arbeiten?

Ulrich von Alemann: Ein Titel bringt Prestige und oft auch ein zusätzliches Einkommen. Gerade für Freiberufler wie zum Beispiel für Anwälte ist das oft wichtig. Das sollte man durchaus fördern, aber dann kann man bitteschön auch korrektes Vorgehen fordern.

Wenn das Verhalten von Guttenberg keine Konsequenzen nach sich zieht, wie wollen Sie künftig noch Studierenden klar machen, dass ein Plagiat kein Kavaliersdelikt ist?

Ulrich von Alemann: Das ist das Problem, gerade Prominenten darf man das nicht durchgehen lassen, sie müssen Vorbild sein.

Können Sie eigentlich nachvollziehen, was da passiert ist?

Ulrich von Alemann: Nein, eigentlich kann ich das nicht. Das ist eine renommierte Fakultät und ein renommierter Kollege, an der die Doktorarbeit eingereicht wurde, und eigentlich hätte man bei so vielen Stellen, die bisher gefunden wurden, stutzig werden müssen. Also, bei aller Vorsicht, ich glaube nicht, dass uns das passiert wäre.