Berlin. 66 Prozent der Eltern von Ganztagsschülern bewerten die individuelle Förderung positiv. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Es ist wie immer alles eine Frage der Qualität. So sieht es auch Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, bei der Vorstellung einer Umfrage zu Ganztagsschulen. „Ganztagsschulen sind der beste Rahmen für die individuelle Förderung der Schüler“, sagte Dräger, natürlich „vorausgesetzt die Qualität stimmt.“ Damit schließt sich der frühere Wissenssenator der Hansestadt Hamburg im Grunde dem Haupttenor der 4300 Eltern mit Kindern im schulpflichtigen Alter an, die für die Studie befragt wurden. Die Forscher fragten: „Was ist besser, Ganztags – oder Halbtagsunterricht?“

Das Ergebnis ist relativ eindeutig: Eltern von Ganztagsschülern sind deutlich zufriedener mit dem schulischen Angebot als solche von Kindern mit Halbtagsbetreuung. Demnach bewerten 66 Prozent der Eltern mit Kindern an Ganztagsschulen in Deutschland die individuelle Förderung ihrer Kinder als positiv, bei Halbtagsschülern sind es nur 54 Prozent.

Fachliche Kompetenz unabhängig von Schulform gelobt

Der größte Unterschied zeigt sich bei der Frage, ob Lehrer mit unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen der Schüler umgehen können. An den Ganztagsschulen bejahten dies 63 Prozent, bei den anderen nur 49 Prozent. Trotzdem: Die fachliche Kompetenz der Lehrer loben 84 Prozent der Eltern – unabhängig von der Schulform.

Der Befragung zufolge würden 30 Prozent der Eltern von Halbtagsschülern ihr Kind auf eine Ganztagsschule schicken, wenn sie nochmals entscheiden könnten. Mit der technisch-räumlichen Ausstattung sind 80 Prozent der Ganztags-Eltern zufrieden im Vergleich zu 72 Prozent der Eltern von Halbtagskindern. Sehr gut oder gut beurteilten drei Viertel (77 Prozent) der Eltern von Ganztagsschülern den sozialen Zusammenhalt in der Klasse ihrer Kinder, bei den Eltern von Halbtagsschülern sind es 71 Prozent.

40 Prozent der Schüler sind an Ganztagsschulen

Der Ausbau von Ganztagsschulen ist seit Anfang der 2000er Jahre eine der zentralen Säulen der Schulpolitik aller sechzehn Bundesländer. Im Jahr 2002 lag der Anteil von Schülern, die an einer Schule mit ganztägigen Lernangeboten lernten, bei rund zehn Prozent – im Schuljahr 2014/15 waren es bereits knapp 40 Prozent aller Schüler, die an einer Schule lernen. Bei den Ganztagsschulen wird unterschieden in „gebundener“ und „offener“ Form.

Bei der offenen Variante besuchen einzelne Kinder Angebote am Nachmittag, bei der gebundenen Form lernen alle Kinder im Klassenverband den ganzen Tag über. Kinder im offenen Ganztag verweilen durchschnittlich 7,2 Stunden pro Tag in der Schule, im gebundenen Ganztag 7,8 Stunden. Die gebundene Form des Ganztags, bei der in der Sekundarstufe alle Kinder eines Klassenverbundes gemeinsam über den Tag lernen und spielen, schneidet bei den Eltern am besten ab. Mehr als zwei Drittel beurteilen die individuellen Förderangebote dort positiv. Über den vielfach an Grundschulen angebotenen offenen Ganztag, bei dem einzelne Kinder am Nachmittagsprogramm teilnehmen können, denken das 63 Prozent der Mütter und Väter.

Anteil der Ganztagsschüler seit 2002 vervierfacht

Im Schuljahr 2014/2015 waren bundesweit 59,5 Prozent der Schulen den ganzen Tag geöffnet. Ein Jahr zuvor waren es noch 57,9 Prozent. Allerdings sind die Ausbauzahlen je nach Bundesland höchst unterschiedlich, sie reichen von 35,8 Prozent in Baden-Württemberg bis 97,4 Prozent in Sachsen. In Berlin sind es schon 85,6 Prozent der Schulen. Doch nicht jeder Schüler an Ganztagsschulen macht auch Gebrauch von der Möglichkeit ganztätig betreut zu werden. Bundesweit hatten 2013/2014 35,8 Prozent der Schüler einen Ganztagsplatz, ein Jahr später waren es 37,7 Prozent.

„Die Reform zur Ganztagsschule ist in Teilen eine Erfolgsgeschichte. Der Anteil der Ganztagsschüler hat sich seit 2002 immerhin fast vervierfacht“, sagt Studienleiter Dirk Zorn. Nach Auswertung des Bildungsexperten in Gütersloh reicht das Angebot dennoch nicht aus. „Der Ausbau sollte mit einem Rechtsanspruch beschleunigt werden.“ Denn 32 Prozent der Eltern von Kindern an Halbtagsschulen sagen, dass es in ihrer Nähe keinen Ganztagesangebot gibt.

Rechtsanspruch auf Ganztagsplatz gefordert

Daher fordert der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, Jörg Dräger, einen Rechtsanspruch auf einen Platz an einer Ganztagsschule, um den Ausbau voranzutreiben. So könne man die Position der Eltern stärken. „Die Umfrageergebnisse zeigen, dass viele Eltern bei der Entscheidung zwischen Ganztagsmodellen vor die falsche Wahl gestellt werden. Nämlich verlässliche Betreuungszeiten oder individuelle Förderung. Beides sollte sich aber nicht ausschließen“, meint Dirk Zorn.

Auch wenn die Eltern an Ganztagsschulen generell zufriedener sind, nicht alles läuft hier rund. Die Top 3 der Elternwünsche lauten: mehr Angebote für die individuelle Förderung, bessere Personalausstattung und einen besseren Informationsfluss zwischen Schule und Eltern. (diz/epd/dpa)