Düsseldorf. Bei Schwarz-Grün ist eine Personalie noch offen: Das Bildungsressort gilt als Ministerium mit Absturzgarantie. Eine könnte es packen.

Würde Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Kabinettsmitglieder seiner künftigen schwarz-grünen Landesregierung per Stellenannonce suchen, müsste er den ungeliebten Leitungsposten im Schulministerium (m/w/d) wohl nach allen Regeln der PR-Kunst ausschreiben.

Das würde dann in etwa so klingen: „An unserem hochmodernen Amtssitz in der Landeshauptstadt Düsseldorf suchen wir eine führungserfahrene, empathische Persönlichkeit mit Begeisterung für zukunftsweisende Lösungen. Sie motivieren und entwickeln täglich 200.000 Lehrer*innen und 2,5 Millionen Schüler*innen standortübergreifend an 6000 Schulen in Nordrhein-Westfalen. Werden Sie Teil eines dynamischen Teams mit klaren Hierarchien und der Sicherheit des Öffentlichen Dienstes.“

Die Anzahl der Bewerbungen dürfte sich trotz solchen Wortgeklingels in engen Grenzen halten. Nach allem, was man hört, will gerade niemand Schulminister werden. Die Zeiten, als ein Kultusministerium noch der ganze Stolz einer Landesregierung war, sind lange vorbei. CDU und Grünen befinden sich auf der Zielgeraden ihrer Koalitionsverhandlungen, Mitte nächster Woche soll ihr Vertrag vorgestellt werden. Hinter den Kulissen wird um letzte Formulierungen, vor allem aber um Posten und Ressortzuschnitte gerungen. Nur um das Schulministerium macht offenbar jeder einen Bogen.

Die drei letzten Amtsinhaberinnen sind gescheitert

Die bei der Landtagswahl abgestrafte FDP hat schließlich einen hohen Preis für das Ressort gezahlt. Die liberale Amtsinhaberin Yvonne Gebauer, die während der Corona-Krise in vielen Lehrerzimmern und Elternhäusern zur Reizfigur wurde, konnte es am Ende keinem mehr recht machen. Luftfilter, Masken, kaputte Fenster, fehlende Tests, Lehrermangel, lahmes Internet – Schulpolitik wirkte wie Krise in Permanenz. Und jeder kann mitreden.

Kaum besser erging es Gebauers Amtsvorgängerinnen. Die Grüne Sylvia Löhrmann verhedderte sich in Debatten um Turbo-Abitur und Inklusion derart, dass ihre Partei bei der Landtagswahl 2017 abstürzte. Auch CDU-Frau Barbara Sommer zog zwischen 2005 und 2010 jede Menge Kritik auf sich und wirkte nach fünf zermürbenden Jahren froh, das Amt los zu sein.

Nun muss es wieder besetzt werden. Die Grünen sollen schnell abgewunken haben. Spitzenkandidatin Mona Neubaur, künftige Vize-Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin, will sich ihre Zukunftserzählung von der klimaneutralen Neuerfindung des Industrielandes nicht durch Genörgel über defekte Schultoiletten eintrüben lassen. Die Wüst-CDU wiederum verfügt über keine Schulpolitiker, denen man das politische Himmelfahrtskommando zutrauen könnte.

"Schulpolitik wird zu oft als landespolitisches Verliererthema angesehen"

„Schul- und Bildungspolitik wird allzu häufig als landespolitisches Verliererthema angesehen – diese Erzählung muss durchbrochen werden“, hat Stefan Behlau, der Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft VBE, gefordert. Nur wie? Einer, der das Schulressort packen könnte, hat jedes Interesse dementiert: Der populäre Innenminister Herbert Reul, ehemaliger Studienrat und gelernter Schulpolitiker, ließ Spekulationen über eine Rückkehr zu seinen Wurzeln eilig austreten. Als Hüter des letzten CDU-Markenkerns der inneren Sicherheit ist er für Wüst unabkömmlich.

Eine Faustregel für das Anforderungsprofil gibt es nicht. Quereinsteigerin Gebauer wurde kritisch beäugt, weil die gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte selbst nie vor einer Klasse gestanden hatte. Aber auch Löhrmanns Vorleben als Lehrerin war am Ende kein Erfolgsgarant. Und Sommer halfen nicht einmal die geballten Erfahrungen als Lehrerin, Schulrätin und fünffache Mutter im schwierigsten Ressort der Landespolitik.

"Egal welchen Hintergrund eine neue Ministerin oder Minister mitbringt - wichtig ist, dass Bildung in NRW nicht mehr das Misslingen dokumentiert, sondern das Gelingen ermöglicht. Wir erwarten, dass die neue Ministeriumsspitze sich auch innerhalb der Koalition durchsetzt und tragfähige Lösungen dafür liefert, den Fachkräftemangel zu bekämpfen und den Investitionsstau aufzulösen“, sagt die Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Ayla Çelik.

Polit-Profi Scharrenbach könnte die knifflige Aufgabe lösen

Deshalb soll sich neuerdings der Blick auf die bisherige Kommunalministerin Ina Scharrenbach richten. Die Betriebswirtin mit Berufserfahrung als Controllerin ist politisch beschlagen, entscheidungsstark und gilt als Aktenfresserin, der man die kniffligste Aufgabe im Kabinett am ehesten zutraut. Eine für den Sanierungsfall Schulministerium?

Die FDP hält die Gerüchte über das Schulministerium als „heiße Kartoffel“ bei den schwarz-grünen Personalspielen für ein „Armutszeugnis“, wie Landtagsfraktionschef Henning Höne kommentiert: „Verantwortung zu übernehmen, heißt, das gerade in den Bereichen zu machen, die auch schwierig sind.“