Düsseldorf. Offiziell werden Alternativen ausgelotet, doch CDU und Grüne wissen längst, dass sie eine gemeinsame Idee für ihr Bündnis brauchen.

Auch nach einer kurzen Nacht wahrte Mona Neubaur ihr Pokerface. So oft man der Grünen-Spitzenkandidatin auch die Frage „Schwarz-Grün oder Ampel“ stellte, verwies sie stoisch auf ihren programmatischen Wählerauftrag. Es gehe einzig und allein darum, „dass wir als Grüne die Verantwortung annehmen, jetzt zu zeigen, dass wir die Menschheitsaufgabe Klimaschutz ins Handeln bekommen“, sagte sie am Montag dem WDR auf dem Weg in den Bundesvorstand.

Menschheitsaufgabe statt Machtgerangel – das soll die Botschaft sein. Hinter den Kulissen wurde jedoch deutlich, dass sich Neubaur die Option auf eine Ampel-Koalition mit den Wahlverlierern von SPD und FDP vor allem aus taktischen Gründen offenhält. Ministerpräsident und Wahlsieger Hendrik Wüst (CDU), der erneut kraftvoll seinen Anspruch auf Regierungsbildung untermauerte, soll sich bloß nicht zu sicher fühlen. Außerdem ist in weiten Teilen des traditionell eher linken Grünen-Landesverbandes die Begeisterung für ein Bündnis mit den Schwarzen nicht sonderlich ausgeprägt.

"Tun uns extrem schwer mit Schwarz-Grün"

„Wir werden uns extrem schwer tun mit einer schwarz-grünen Koalition“, sagte die Vorsitzende der Grünen Jugend, Nicola Dichant, am Montag unserer Redaktion desillusioniert. Bis zuletzt hatte man auf eine Neuauflage von Rot-Grün gehofft. Man erwarte von der Parteiführung, dass auch die Ampel-Option „ernsthaft verhandelt wird“, so Dichant weiter. Das dürfte auch in der kräftig gewachsenen, deutlich verjüngten Grünen-Landtagsfraktion die vorherrschende Gefühlslage sein.

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Mancher Routinier, der schon auf Kommunalebene schwarz-grüne Bündnisse verhandelt hat, fürchtet gleichwohl die Hypothek, mit gerupften Partnern eine Ampel am klaren Wahlgewinner CDU vorbei zu bilden. Zumal FDP-Chef Joachim Stamp arg verbittert und wenig regierungsbereit wirkt. Ein Selbstläufer sei Schwarz-Grün deshalb aber keineswegs, denn für ihre 18,2 Prozent muss Neubaur einige Trophäen nach Hause bringen. Nichts ist schneller verspielt als Wählervertrauen. Es werden wohl Trippelschritte ins schwarz-grüne Neuland.

Möglichst schnell wollen sich CDU und Grüne an einen Tisch setzen. Die persönliche Chemie zwischen Neubaur und Wüst scheint einigermaßen zu stimmen, auch wenn es beim Ministerpräsidenten keine gewachsenen freundschaftlichen Bande zu den Grünen gibt wie bei Amtsvorgänger Armin Laschet. Die größte Gefahr lauert im kleinlichen Abgleich der Parteiprogramme, die naturgemäß recht unterschiedlich sind. Da dürfe man sich nicht verhaken, sagt einer, der voraussichtlich im Verhandlungsteam sitzen wird.

Gesucht wird eine gemeinsame Idee für die Koalition

Gesucht werde vielmehr eine gemeinsame Idee. „Trotz programmatischer Unterschiede kann in einer solchen Koalition eine echte Chance liegen. Vielleicht wird gerade ein solches Bündnis bisher nur schwer überbrückbare Spannungsfelder auflösen und bestehende gesellschaftspolitische Blockaden überwinden“, sagte Unternehmerpräsident Arndt Kirchhoff.

Immerhin hat Wüst in den vergangenen Monaten keine neuen Gräben ausgehoben. In seiner ersten und einzigen Regierungserklärung bekannte er sich zum vorgezogenen Kohleausstieg 2030, machte seinen Frieden mit dem Mindestlohn von 12 Euro, zeigte sich offen für eine paritätische Besetzung des Kabinetts und führte immerzu eine Formulierung im Munde: Klimaschutz und Industrie müssten „versöhnt“ werden. Ist das schon eine Art Überschrift über den Koalitionsvertrag?

Klar ist, dass die Grünen im Klimaschutz Ergebnisse brauchen, um ein Bündnis mit Wüst der Basis zu verkaufen. Dass die Abstandsregelung für Windräder abgeschafft und das Flächenverbrauchsziel von fünf Hektar pro Tag wieder eingeführt wird, gilt als ausgemacht. Ob sich die CDU auf Solarplatten für jedes Dach einlässt, dürfte am Ende eine Frage der genauen Ausgestaltung sein.

"Null Toleranz" gehört zum Markenkern der CDU

Schwierig wird das Verkehrsressort: Die Grünen wollen Straßenbau-Maßnahmen auf den Prüfstand stellen und das Geld lieber in Schienenausbau und kostenlosen Nahverkehr stecken. Es geht auch um einen Geist der Gemeinsamkeit, den man abseits der harten Programmpunkte entwickeln muss. Ein Problem: Der „Null Toleranz“-Kurs des populären Innenministers Herbert Reul gehört zum CDU-Markenkern, die Grünen schlagen hier ganz andere Töne an.

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Vorteilhaft für Schwarz-Grün könnte die über Nacht enorm starke Stellung von Ministerpräsident Wüst in der NRW-CDU sein. Alles hört nun auf sein Kommando. Auch wenn die Altstars Reul und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann in einem neuen Kabinett gesetzt sein dürften, kann Wüst ansonsten seiner Regierungsmannschaft nach Belieben eine Frischzellenkur verpassen. Auch damit würde er das Signal setzten, dass mit den Grünen wirklich etwas Neues in Düsseldorf beginnt.