Essen. Über vier Millionen Menschen stimmen am 13. September 2020 erstmals über das Ruhrparlament ab. Eine Kampagne soll erklären, was das bedeutet.

Bei den diesjährigen Kommunalwahlen sind alle Wahlberechtigten im Ruhrgebiet Erstwähler: Erstmals in der 100 Jahre langen Geschichte des Regionalverbands Ruhr (RVR) wird am 13. September auch das sogenannte Ruhrparlament direkt von den Bürgern dieser Region gewählt. Für den Verband und die Politik im Revier ist das ein historischer Schritt und eine Herausforderung – denn der Bekanntheitsgrad des Ruhrparlaments dürfte überschaubar sein.

Was macht der RVR und was ist das Ruhrparlament?

Der RVR kümmert sich für die 53 Kommunen des Ruhrgebiets um Aufgaben wie die Regionalplanung oder überörtliche Infrastrukturprojekte wie die Route der Industriekultur. Die Verbandsversammlung, Ruhrparlament genannt, verabschiedet den RVR-Haushalt, bestimmt somit die Schwerpunkte des Verbands und wählt dessen Spitze. Bisher haben Stadträte und Kreistage ihre Vertreter fürs Ruhrparlament selbst bestimmt. Aktuell hat es 136 Mitglieder aus zehn Parteien oder Wählergruppen, 15 Oberbürgermeister und Landräte sind stimmberechtigt. Die CDU führt die schwarz-rot-grüne Mehrheitskoalition an.

Wieso wird das Parlament jetzt direkt gewählt?

Mit dem umstrittenen RVR-Gesetz von 2015 sollten die Kompetenzen des Verbandes ausgebaut werden: Städte können ihm Aufgaben übertragen, machen davon aber praktisch bisher kaum Gebrauch. Dazu soll das Ruhrparlament direkt gewählt und somit stärker legitimiert werden. "Das wird der Region ein neues Gewicht geben und den Abgeordneten ein neues Selbstbewusstsein", sagt Josef Hovenjürgen (CDU), Vorsitzender des Parlaments.

Wer wählt wann und wie?

Die Wahl findet am 13. September mit den Kommunal- und OB-Wahlen in den Stimmlokalen der Städte statt. Wahlberechtigt ist, wer im Ruhrgebiet wohnt, mindestens 16 Jahre alt und Staatsangehöriger Deutschlands oder eines EU-Staates ist - insgesamt rund 4,1 Millionen Menschen. Jeder hat bei der Ruhrwahl genau eine Stimme, die er einer Partei oder Wählergruppe geben kann.

Wie wird die Wahl organisiert?

Bis zum 27. Juli müssen die Parteien ihre Listenwahlvorschläge für die Ruhrwahl 2020 vorlegen, Wahlleiterin ist Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel. Auch Bündnisse, die aktuell nicht im Parlament vertreten sind, können sich bewerben, wenn sie mindestens 150 Unterstützungsunterschriften gesammelt haben. Sobald die Vorschläge zugelassen sind, produziert der RVR die Stimmzettel, die er an die Kommunen verteilt. Der RVR rechnet mit bis zu 18 Parteien oder Wählerbündnissen, die antreten werden.

RVR-Referatsleiter Jochem von der Heide spricht von einem „Heidenaufwand“ für diese erste Ruhrwahl. Das vorläufige Ergebnis könnte nach seiner Einschätzung erst am 14. September vorliegen. Das direkt gewählte Parlament mit dann nur noch 91 Mitgliedern soll am 11. Dezember zur konstituierenden Sitzung erstmals zusammentreten.

Gibt es eine Sperrklausel?

Ja, anders als bei der Ratswahl gilt für die Ruhrwahl eine Sperrklausel: Einen Sitz erhält eine Partei nur, wenn sie mindestens 2,5 Prozent der Stimmen für sich beansprucht.

Wie wirbt man um Stimmen für ein Parlament, das kaum einer kennt?

In einer Welt ohne Corona-Pandemie hätte der RVR 2020 reichlich Gelegenheit gehabt, auf sich und die Ruhrwahl aufmerksam zu machen: Der Verband feiert sein 100-jähriges Bestehen. "Wir hätten dazu unser komplettes Leistungsspektrum zeigen können", sagt Geiß-Netthöfel. Stattdessen muss der Verband ausschließlich auf eine von der Werbeagentur "Scholz & Friends" flankierte Kampagne setzen, die am Dienstag an den Start gegangen ist: Mit Plakaten, Broschüren, Postkarten, Anzeigen und Aktionen in den Städten sollen Revierbürger unter dem Motto "Mach es zu deinem Revier" an die Kompetenzen des RVR und den Einfluss des Parlaments erinnert werden. Budget: zwei Millionen Euro.

Können die Parteien die RVR-Kampagne für sich nutzen?

Nein, sagt Regionaldirektorin Geiß-Netthöfel. "Wir sind zu absoluter Neutralität verpflichtet." Ziel der Kampagne sei, über die Wahl zu informieren und zur Stimmabgabe zu motivieren. Parteien dürfen das Material nicht nutzen. Hovenjürgen räumt ein, dass die Koordination des kommunalen und regionalen Wahlkampfes eine Herausforderung für die Parteien sei: "Wir müssen aufpassen, dass wir keine Inflation der Köpfe auf Wahlplakaten haben."

Wer wird nicht gewählt?

Anders als ursprünglich gefordert dürfen die Revierbürger den Kopf des RVR, die Regionaldirektion, am 13. September nicht direkt wählen. Dafür hatte es 2015 weder eine Mehrheit im Land noch bei den Kommunen gegeben. Die Verbandsspitze wird also wie bisher von der Verbandsversammlung bestimmt. Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel ist noch bis 2025 gewählt.

>>> Weitere Informationen zur Wahl: www.ruhrwahl.de