Düsseldorf. Die medizinische Versorgung in Gefängnissen hat Lücken. NRW experimentiert mit “Telemedizin“ für Gefangene. Mehr Sicherheit für die Bevölkerung?

NRW hat einen zunächst auf 18 Monate angelegten Test für den Einsatz von Telemedizin in Gefängnissen gestartet. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) sprach am Montag von einer „neuen Ära“ der medizinischen Versorgung von Strafgefangenen.

In sieben Justizvollzugsanstalten sollen Gefangene praktisch jederzeit per Video Kontakt zu einem der rund 60 Ärzte des Anbieters „videoclinic.de“ aufnehmen können. Der Minister stellte eine spätere Ausweitung dieser Versorgung auf alle 36 Justizvollzuganstalten des Landes in Aussicht, wenn der Test erfolgreich verliefe.

Arzt-Kontakt 24 Stunden am Tag möglich

Die ärztliche Versorgung in Justizvollzugsanstalten ist verbesserungsbedürftig“, sagte Biesenbach. Es sei schwer, Mediziner zu finden, die in Gefängnissen arbeiten möchten. Außerdem sei die Stundenzahl der Gefängnisärzte begrenzt, besonders an Wochenenden.

„Wir wollen eine Versorgung rund um die Uhr“, so der Justizminister. Für die Justizvollzugsanstalten sei die Telemedizin „wie gemacht“. Von ihr profitierten die Gefangenen, außerdem spare sie Zeit und Personal, weil Krankentransporte zu Kliniken künftig zum Teil wegfallen könnten. Wenn weniger kranke Gefangene ausgeführt werden müssten, werde die Sicherheit der Bevölkerung erhöht, glaubt die Landesregierung.

Psychisch kranke Strafgefangene könnten mit „Telepsychiatrie“ versorgt werden. Das nehme in den Gefängnissen „viel Druck aus dem Kessel“.

Spezialgeräte ermöglichen Fern-Kontrolle wichtiger Organe

In folgenden Justizvollzugsanstalten aus allen Landesteilen und sämtlichen Vollzugsarten läuft der Pilotversuch zur Telemedizin: Aachen, Attendorn, Bielefeld-Senne, Herford, Werl, Hamm und Duisburg-Hamborn. In diesem und im kommenden Haushaltsjahr stehen dafür rund eine Million Euro zur Verfügung.

Prof. Martin Scherer, Experte für Allgemeinmedizin an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf, erklärte, die Telemedizin ermögliche nicht nur das Gespräch per Video zwischen einem Mediziner und einem Gefangenen, sondern biete auch weit reichende technische Diagnosemöglichkeiten.

"Relativ vollständiges Bild" vom Patienten

Per Kamera könnten zum Beispiel Aufnahmen mit extrem hoher Auflösung von der Haut übertragen werden. Ein spezielles Stethoskop gestatte die Kontrolle von Herz-, Lungen- und Darmgeräuschen. Über die Distanz hinweg könne sich ein Arzt ein „relativ vollständiges Bild“ vom Patienten machen.