Düsseldorf. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung rückt immer näher. Jetzt will das Land Vereine stärker ins Boot holen und neue Berufsgruppen.
Die Nachmittagsbetreuung von Grundschulkindern in Nordrhein-Westfalen soll künftig auch verstärkt außerhalb der Schulgebäude und mit Hilfe von lokalen Vereinen sichergestellt werden. Das machte Schulministerin Dorothee Feller (CDU) am Donnerstag im Landtag deutlich.
Zum Jahreswechsel werde die schwarz-grüne Landesregierung einen ersten Entwurf zur Änderung des Schulrechts und des Jugendhilferechts vorlegen, mit dem der garantierte Betreuungsplatz für jedes Kind in der Offenen Ganztagsschule (OGS) doch noch erreicht werden soll. Man arbeite „mit Hochdruck daran, den Rechtsanspruch 2026 umzusetzen“, sagte Feller. Dies sei jedoch eine „große Herausforderung“.
Als „Meilenstein“ bezeichnete die Schulministerin eine neue Förderrichtlinie zum Infrastrukturausbau, die demnächst veröffentlicht werde. Sie enthalte ein Gesamtvolumen zum OGS-Ausbau von 892 Millionen Euro, die von Bund, Land und Kommunen gemeinsam geschultert werden müssen. „Die Förderrichtlinie beinhaltet keine weiteren räumlichen und baulichen Standards“, so Feller. Auch OGS-Plätze außerhalb des Schulgebäudes könnten damit gefördert werden.
"Lange ist der Ganztag als Konkurrenz zu den Vereinen gesehen worden"
Die Kommunen sollen außerdem mehr Freiheiten bekommen, das lokale Vereinsleben mit dem Offenen Ganztag zu verzahnen. „Lange ist der Ganztag als Konkurrenz zu den Angeboten der örtlichen Vereine betrachtet worden“, sagte Feller. Inzwischen scheint aber klar, dass der bundesgesetzliche OGS-Anspruch ohne Betreuungsstunden am Nachmittag durch Sport, Kirche oder soziale Institutionen vor Ort gar nicht zu leisten wäre.
Ganztagsangebote gibt es in NRW bereits seit 20 Jahren. Mehr als 95 Prozent aller Grundschulen bieten inzwischen eine Betreuung bis in den späteren Nachmittag an. Das Land will zum kommenden Schuljahr die Anzahl der Plätze noch einmal um knapp zehn Prozent auf dann 430.500 an landesweit 2800 Standorten erhöhen, so dass zumindest 60 Prozent aller Grundschulkinder versorgt wären. Ab 2026 greift aber schrittweise der Rechtsanspruch für alle Familien, so dass von einem Betreuungsbedarf von mindestens 75 Prozent aller Grundschulkinder gerechnet wird.
„Sicherlich ist eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs der Fachkräftemangel“, räumte Feller ein. Wegen fehlender Erzieherinnen, die bereits in den Kindertagesstätten händeringend gesucht werden, will die Landesregierung mehr Personal mit niederschwelliger Berufsausbildung für die OGS gewinnen. Im Schuljahr 2024/25 werde NRW mit einem neuen Bildungsgang zur „Staatlich geprüften Sozialassistenz mit dem Schwerpunkt Erziehung, Bildung und Betreuung für Grundschulkinder“ starten, kündigte Feller an.
Opposition fordert Soforthilfe für Träger in finanzieller Klemme
Die Opposition im Landtag warf der schwarz-grünen Landesregierung vor, die dramatische Schieflage in der OGS-Betreuung zu verkennen. Wegen der jüngsten Kosten- und Tarifsteigerungen stünden etliche freie Träger, die an Grundschulen die Nachmittagsbetreuung organisieren, finanziell mit dem Rücken zur Wand. „Wenn kein Geld ins System kommt, werden wir Plätze und Träger verlieren“, warnte FDP-Familienpolitiker Marcel Hafke.
Die SPD forderte ein Sofortprogramm von 100 Millionen Euro und warf dem Land vor, sehenden Auges Eltern in weitere Betreuungsengpässe laufen zu lassen: „Wenn die Träger pleitegegangen sind, können Sie den Rechtsanspruch vergessen“, sagte Oppositionsführer Jochen Ott zu Ministerin Feller. Das Land fördert jeden OGS-Platz aktuell mit 1042 Euro und ist gesetzlich zu einer jährlichen Steigerung von mindestens drei Prozent verpflichtet. Da es zuletzt Tarifsteigerungen von über zehn Prozent gab, droht ersten OGS-Betreibern die Insolvenz.
Ihr sei bewusst, dass die Tarifsteigerungen eine Herausforderung für die Träger darstellen, sagte Feller. Die Fördersätze seien aber seit 2017 bereits um 36 Prozent erhöht worden. Auch in Jahren ohne Tarifsteigerungen habe man jeweils drei Prozent draufgeschlagen. Ob die Fördersätze angepasst werden müssen, wolle man erst nach Auslaufen der aktuellen Erlasslage zum 31. Juli 2024 prüfen.
Kommunen favorisieren "rhythmisierten Ganztag"
In den Kommunen wird die OGS-Betreuung in fußläufig entfernten Einrichtungen außerhalb des Schulgeländes kritisch gesehen. Sie favorisieren einen sogenannten rhythmisierten Ganztag, bei dem Unterricht und Betreuungszeit über den Tag miteinander verschränkt werden. Dafür müssten neue OGS-Räume jedoch unmittelbar aufs Schulgelände gebaut werden, was oft technisch nicht möglich oder schlicht unbezahlbar ist.