Düsseldorf. Der Erlass zum Verbot von Großveranstaltungen erinnert die SPD an die „Weisheit eines Bauernkalenders“. Die Landesregierung wehrt sich.
In Krisenzeiten rücken die Menschen enger zusammen, heißt es. Im NRW-Landtag war von dieser Not-Solidarität am Mittwoch aber wenig zu spüren. Im Gegenteil. Am Thema Coronavirus entzündete sich ein heftiger Streit im Plenum, der im Gebrüll endete. Auf dem Prüfstand: das Krisenmanagement der Landesregierung.
Corona scheint an den Nerven der Landespolitiker zu zerren. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schlug während einer Rede von Oppositionsführer Thomas Kutschaty erzürnt eine Mappe auf den Tisch. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) schrie bei seinem zweiten Auftritt so laut, dass sich seine Stimme fast überschlug. „Unfairness“ warf er dem SPD-Gesundheitsexperten Josef Neumann vor, weil dieser Laumanns Krisenmanagement in Zweifel gezogen hatte.
Was war geschehen? SPD-Fraktionschef Kutschaty hatte „Schwachstellen“ aufgezählt. Zum Beispiel, dass die Regierung zu spät auf die drohende Pandemie reagiert habe, dass in Gesundheitseinrichtungen Mundschutz und Desinfektionsmittel fehlten, dass sich Schulen wie eine Gesamtschule in Köln vergeblich bei der Stadtverwaltung beschwerten, weil es keine Seife, Toilettenpapier und Desinfektionsspender mehr gebe.
Laschet: „Ich besorge das Papier“
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Für den Ministerpräsidenten war das ein unerhörter Auftritt. „Nennen sie mir den Namen der Schule. Ich kümmere mich persönlich darum, dass sie ihr Papier kriegen – verdammt noch mal. Ich nehme ihnen ihre größte Sorge und besorge das Papier“, rief Laschet.
Auch Kutschatys Frage, ob nach dem Verbot von Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern in NRW nun auch über Einschränkungen in Schulen oder beim Nahverkehr („Der Regionalexpress ist die größte Veranstaltung“) nachgedacht werden müsste, nervte den Ministerpräsidenten sichtlich: „Heute ist es nicht erforderlich, Schulen, Kitas und Unis zu schließen. Wenn sie Schulen schließen, sind womöglich Pflegerinnen nicht in der Lage zu arbeiten, weil sie sich um ihre Kinder kümmern müssten.“ In vier Wochen könnte die Lage anders bewertet werden, je nach Entwicklung der Epidemie.
Ähnlich intensiv rieben sich Gesundheitsminister Laumann und der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Josef Neumann. Der SPD-Mann spottete, die von NRW gesetzte Grenze von 1000 Besuchern für Veranstaltungen erinnere „eher an die Weisheit eines Bauernkalenders als an die Arbeit erfahrener Menschen“. Die Landesregierung habe in der Gesundheitspolitik auf den Markt gesetzt, und dieser Markt habe in der Corona-Krise versagt. Nun fehlten Masken und Desinfektionsmittel.
SPD: „Der Markt hat versagt“
„Man muss nicht erst einschreiten, wenn alles ausverkauft ist, sondern kann schon vorher Dinge beschlagnahmen“, wetterte der Abgeordnete. Überhaupt stimme bei der Gesundheit die Richtung nicht: Erst vor wenigen Wochen habe die Landesregierung signalisiert, es gebe zu viele Kliniken im Land – eine Anspielung auf die bevorstehende Reform der Kliniklandschaft in NRW. „Dieses auf Effizienz und Ökonomie setzende Gesundheitswesen reicht in einer Krise nicht aus“, findet Neumann.
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Da platzte Laumann der Kragen. Diese „Legendenbildung“ zur Krankenhausplanung sei „unfair, völlig unangemessen und nicht in Ordnung“, rief er. Es gehe bei der Reform nicht um die Schließung von Kliniken, sondern um eine bessere Spezialisierung dieser Häuser. Außerdem arbeite NRW schon seit Wochen an einem eigenen Landes-Epidemieplan, um das Virus zu bekämpfen.