Düsseldorf. „An keiner Stelle hätte es uns so böse treffen können“: Ingenieure geben im Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags bittere Einblicke.
Schwere Bauwerksschäden an der inzwischen gesprengten A45-Talbrücke „Rahmede“ sind offenbar über Jahre ignoriert oder zumindest dramatisch unterschätzt worden. Diesen Schluss lässt die Vernehmung von drei Ingenieuren im Untersuchungsausschuss „Brückendesaster“ am Montagnachmittag im NRW-Landtag zu.
„Ich bin persönlich der Meinung, dass da einige Mechanismen nicht sonderlich gut funktioniert haben“, sagte der Statiker eines privaten Ingenieurbüros, das Ende 2021 an der Entscheidung zur Vollsperrung des neuralgischen Punkts der „Sauerlandlinie“ beteiligt war. Seither versinken Teile von Südwestfalen täglich im Verkehrschaos.
A45-Autobahnbrücken: Die Stahlnähte standen über Jahre im Wasser
„Der Brückenprüfer, der die Prüfung durchgeführt hat, hat das so eingeschätzt, dass das, was wir da sehen, in einem Zeitraum über Jahrzehnte vermutlich entstanden sein muss“, sagte der Statiker im Zeugenstand weiter aus. So sei eine undichte Entwässerungsleitung bereits zum ersten Mal 1975 erwähnt worden. Warum nicht rechtzeitig gegengesteuert wurde, blieb unklar. Offenbar hatten die Prüfer, die alle sechs Jahre eine umfassende Hauptprüfung und zwischendurch Einfachprüfungen von allen Autobahnbrücken durchführen, mit dem Umgang ihrer Erkenntnisse gar nichts zu tun. Ein Controlling gab es nicht. Zudem blieb unklar, ob die festgestellten Mängel die Standfestigkeit beeinträchtigen würden oder nicht.
An der Rahmedetalbrücke hatte dieser möglicherweise zu laxe Umgang mit Prüfhinweisen fatale Folgen. „Ein sehr schwerwiegender Schaden nach meiner Einschätzung war ein Korrosionsschaden in dem größten Feld der Brücke. Es ist eine undichte Entwässerungsleitung vorgefunden worden. Es hat Wasser in dieser Brücke gestanden auf dem Hauptträger, das konnte nicht ablaufen“, schilderte der Statiker die katastrophalen Funde, die schließlich zu Sperrung und Abriss des Bauwerks bei Lüdenscheid geführt haben.
Lüdenscheid: Verschiebung des A45-Brückenneubaus fiel in Wüsts Amtszeit
Politisch brisant ist, dass die fatale Entscheidung für die Verschiebung eines längst beabsichtigten Neubaus der maroden A45-Brücke von 2019 auf 2026 in der Amtszeit des Verkehrsministers und heutigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) getroffen wurde. Ob die Restlaufzeit der Konstruktion das überhaupt hergab, wurde nach dem bisherigen Stand der Aufarbeitung jedoch nie untersucht. Wüst hat den Verdacht einer politischen Einflussnahme stets zurückgewiesen.
Erst mit dem Wechsel der Zuständigkeit in die Bundesautobahn-Gesellschaft 2021 wurde die Brücke per Laserscan intensiver untersucht, weil man auf ein langjähriges Planfeststellungsverfahren für den Neubau zusteuerte. Dabei trat das Desaster komplett zu Tage. Dass es sich bei der “Rahmede“ um eine besondere Brücke im deutschen Verkehrsnetz handelte, war aber auch dem Ingenieur klar, der zwischen 2005 und 2017 für die Hauptprüfungen verantwortlich zeichnete: „Es hätte uns an keiner Stelle so böse erwischen können wie dort.“