Düsseldorf. Seit zehn Jahren versucht NRW, einen islamischen Religionsunterricht zu etablieren. Warum der wichtigste Partner der schwierigste ist.

Nur wenige Tage nach den terroristischen Anschlägen der Hamas auf israelische Zivilisten gelang Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) etwas Außergewöhnliches. Er verpflichtete in mühevoller Pendeldiplomatie nicht nur die wichtigsten Islamverbände in NRW auf eine gemeinsame Erklärung, die ohne Hintertürchen die „Gräueltaten der Hamas“ verurteilte. Anschließend besuchten sich unter Liminskis behutsamer Anleitung sogar Vertreter jüdischen und muslimischen Glaubens gegenseitig in ihren Gotteshäusern – in der Synagoge in Köln und der Moschee in Bochum-Dahlhausen.

Bei den NRW-Sicherheitsbehörden war man zuversichtlich, dass solche Gesten die Nahost-Wut auf den Straßen dämpfen könnten. Zugleich machte sich niemand Illusionen, dass die Basis die Hamas-Morde an Israelis völlig anders sieht als sich die Verbandsoberen in offiziellen Düsseldorfer Bulletins zitieren lassen. Auch Liminski registrierte genau, dass vor allem der Ankara-nahe türkisch-islamische Religionsverband Ditib arg lange brauchte, um die Verurteilung des Hamas-Terrors über die eigenen Kanäle zu verbreiten.

NRW setzt seit 2021 auf sechs Islamverbände

Wenn es um Antisemitismus und das Existenzrecht Israels geht, kann die Landesregierung jedoch keine Zweideutigkeiten dulden. Die Ditib sitzt seit 2021 neben dem Bündnis Marokkanische Gemeinde (BMG), der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD), der Islamische Religionsgemeinschaft NRW (IRG NRW), der Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD) und dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) in einer Kommission, die Schulministerin Dorothee Feller (CDU) bei der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts berät. Es geht dabei um nicht weniger als Lehrinhalte und die Erteilung von Lehrerlaubnissen.

Die damalige Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) war nach einem aufwendigen Prüfungsprozess zur Einschätzung gelangt, das Land habe Verträge mit sechs Organisationen geschlossen, die staatsunabhängig und entlang der Verfassungsprinzipien arbeiten würden. Im Falle der Ditib gab es schon damals Warnungen, „Erdogans Arm“ könnte ins Klassenzimmer reichen. Doch NRW wusste sich nicht anders zu helfen, um dem Religionsunterricht gerade in den vielen türkisch-stämmigen Elternhäusern im Ruhrgebiet Akzeptanz zu verschaffen.

In NRW spielte Ditib in der Corona-Krise eine konstruktive Rolle

Anerkennung fand beim Land auch die konstruktive Rolle der Ditib in der Corona-Pandemie. Beim Werben um Abstands- und Hygieneregeln und Impfbereitschaft in den Moscheegemeinden sei der Verband eine wichtige Stütze gewesen, hieß es.

Die neue Kommission ersetzte einen achtköpfigen Beirat, der seit 2012 den Aufbau des islamischen Religionsunterrichts in NRW möglich gemacht hatte. Darin waren die vier großen Islamverbände ebenso vertreten wie Experten, die von der damaligen rot-grünen Landesregierung benannt wurden. Nach Vorwürfen der Spitzelei gegen Erdogan-Kritiker in NRW wurde die Zusammenarbeit mit der Ditib im Beirat zwischenzeitlich ausgesetzt.

Anders als bei den christlichen Kirchen blieb es für das Land schwer, einen allseits akzeptierten Ansprechpartner des Islam für Bekenntnisfragen zu finden. Ganz wohl schien der Politik die Kooperation mit der Ditib nie zu sein. Der frühere Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hatte im Sommer 2021 betont, dass der Verband ja bloß begrenzten Einfluss habe, da die Kommission aus sechs unterschiedlichen Islamverbänden bestehe und wissenschaftlich begleitet werde. Er stellte klar: „Wer sich nicht an die Spielregeln hält, fliegt sofort raus.“