Düsseldorf. Bauchtänzerin und bunter Vogel: Sport-Staatssekretärin Andrea Milz kultivierte ihr Anderssein in der CDU - jetzt wird das Klima rauer.
„Andrea“, stellt sich NRW-Staatssekretärin Andrea Milz mit kräftigem Händedruck vor. „Beim Sport duzt man sich, da jibbet kein Sie“, erklärt die CDU-Politikerin im rheinischen Dialekt der verdutzten Reporterin. Es ist Sonntagmorgen, kurz vor zehn. Die 60-Jährige steht in knallpinker Leggins und grünem Sporttop im Kursraum des Turnvereins „Eiche“ in Bad Honnef und wartet auf die Teilnehmenden ihrer ersten Sportstunde. „Erst Zumba, dann Hot Iron und dann Pilates“, zählt Milz ihr sportliches Tagesprogramm auf. Mit einem Anflug von Triumph fügt sie hinzu: „Die Leute denken erst ‚Wat kommt denn da für ne Omma‘ und dann sind se platt.“
Milz ist als Sportpolitikerin keine Theoretikerin, sondern kommt so sehr aus der Praxis wie noch kein Amtsvorgänger zuvor. Sie hält insgesamt zehn Trainer-Lizenzen und hat nie aufgehört, Kurse zu geben. Vor allem ist sie seit sechs Jahren das ungewöhnlichste Mitglied der Landesregierung und das vielleicht bunteste CDU-Mitglied bundesweit.
„Sie wird ein wenig Farbe in die Landesregierung bringen“, hatte Laschet gesagt
Zurzeit durchläuft Milz jedoch die schwierigste Phase ihrer Amtszeit, weil erstmals auch im Sport gespart werden soll. Sportbünde und Fachverbände in NRW sind in Aufruhr. Schwarz-Grün windet sich seit Wochen. Wer wissen will, wie es der fröhlichen Frau Milz damit geht, zieht am besten die Turnschuhe an und macht ein paar Stunden Sport mit ihr.
„Sie wird ein wenig Farbe in die Landesregierung bringen“, hatte der frühere Ministerpräsident Armin Laschet im Juni 2017 angekündigt, als er Milz zur allgemeinen Überraschung als neue Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt vorstellte. Laschets Alleinstellungsmerkmal in der NRW-Personalpolitik war es, die ganze Vielfalt der Volkspartei CDU zeigen zu wollen. Wer anders tickte als er selbst, wurde als Bereicherung gesehen und nicht als Störfall der Machtstrukturen.
Da gehörte jemand wie Milz, die kunterbunten Federn in den Haaren trägt und auffällige Klunker um den Hals, einfach dazu. Ihre extravaganten Kleider mit dem stets passenden Lidschatten, die selbstgestrickten Pullover, die schrillen Hüte und die durchgehend gute Laune hatten Milz schon länger aus der oft grauen Männer-CDU herausgehoben.
Falsche Kleidung? "Kein Problem, ich trage sowieso nichts zweimal“
Im Jahr 2000 wurde sie erstmals im Rhein-Sieg-Kreis direkt in den Landtag gewählt. „Wegen mir haben sich juristische Fachseminare mit der Frage beschäftigt, was sich Abgeordnete eigentlich erlauben können beziehungsweise was man ihnen verbieten kann“, erzählt sie. Auslöser sei ein schulterfreies Kleid gewesen, das Milz auf einer politischen Veranstaltung trug. Als man sie darum bat, beim nächsten Mal zumindest eine Jacke über das Kleid zu ziehen, lautete ihre Antwort: „Kein Problem, ich trage sowieso nichts zweimal.“
Milz bewahrt sich eine innere Unabhängigkeit, wie sie in der Politik wohl nur selten zu beobachten ist: „Was andere darüber denken, hat mich noch nie interessiert.“ Ihr provokatives Credo: „Grenzen müssen ausgetestet werden, um festzustellen, ob es sie überhaupt gibt.“ Schon als die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin mit 18 Jahren in die CDU eintrat, sei sie sich ihrer alternativen Rolle bewusst gewesen. Warum sie dennoch in eine konservative Partei ging? Keine Partei überzeugte sie zu 100 Prozent, die CDU immerhin zu 70 Prozent – „und an den anderen 30 wollte ich arbeiten“.
„Desinteressiert und schlampig“ - erstmals hagelt es Kritik
Es ist bis heute eine Beziehung geblieben, die beiden Seiten etwas abverlangt. Noch als Ratsmitglied in Königswinter trat die gebürtige Bonnerin regelmäßig als Bauchtänzerin auf. Später wurde sie Übungsleiterin für Zumba-Fitness, Indoor-Cycling, Pilates und vieles mehr.
„Der Sport ist das, was hier alles zusammenhält“, sagt sie. „Er gibt mir Kraft und Energie und dadurch bin ich auch nie müde.“ Wenn die letzte Mail um 23 Uhr abgearbeitet ist, begibt sie sich noch ans Stricken und Sticken. „Die Handarbeit lässt sich mich alles vergessen, was am Tag passiert ist“, erklärt Milz. So kann sie nach vier Stunden Schlaf wieder mit Power starten.
Diese Unverwüstlichkeit wird sie brauchen, denn es kommen harte Zeiten auf den Sport in NRW zu. Jahrelang konnte die Staatssekretärin den Vereinen mit dem Förderprogramm „Moderne Sportstätten 2022“, mit mobilen Schwimm-Containern oder den Corona- und Energiehilfen unter die Arme greifen. Seit einigen Wochen steht sie jedoch im Sturm der Kritik.
Die schwarz-grüne Landesregierung hat mit Kürzungen im Sportetat des nächsten Jahres viele der knapp 18.000 Sportvereine gegen sich aufgebracht. Vor allem bei den Übungsleitern drohen Einschnitte. Dem Haushaltsentwurf zufolge soll auch das Förderprogramm „Moderne Sportstätten“ nicht neu aufgelegt werden. Damit fallen millionenschwere Offensiven weg. „Man gelangt immer mehr zu der Erkenntnis, dass diese Politikerin ihren Job nicht kann“, schreibt Armin Schönberner, Vorsitzender des Bochumer „Budo Sportclubs Linden e.V. 83“, in einer wütenden Mail an unsere Redaktion. Milz gehe mit vorhandenen Mitteln derart „desinteressiert und schlampig“ um, dass Förderprogramme nicht da landen, wo sie hingehörten.
Milz nimmt die Kritik der Vereine gefasst hin. Den Vorwurf, sie setze falsche Prioritäten, weist sie zurück. Eingespart werde vor allem Geld, das die Vereine „einmalig“ für 2023 bekommen hätten. „Die Vereine haben rosige sechs Jahre hinter sich, die wir in den momentanen Krisenzeiten nicht einfach so kopieren können“, sagt sie.
„Ich würde mir wünschen, dass wir die nächsten zwei Jahre in einem guten Miteinander überstehen“, sagt Milz. Schließlich habe der Sport schon viele Krisen gemeistert und das werde er jetzt auch wieder tun.