Düsseldorf. Für den Herbst zeichnet sich eine Virus-Infektionswelle ab, auch Corona ist noch nicht verschwunden. Mediziner raten zur Vorsicht.

Mediziner raten insbesondere älteren Menschen in NRW, in den kommenden Wochen an ihren Impfschutz zu denken. Sie verweisen auf einen aktuell leichten Anstieg bei den Corona-Fällen, das Phänomen „Sommergrippe“ und das sich abzeichnende Risiko einer großen Grippewelle

Wie ist die Corona-Lage?

Im Moment weitgehend harmlos. „Es gibt eine leichte Zunahme an nachgewiesenen Covid-Infektionen. Schwerste Corona-Erkrankungen sind äußerst selten“, erklärt Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, dieser Redaktion. Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland derzeit bei drei Covid-Fällen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, in der Vorwoche lag der Wert bei zwei. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Pandemie erreichte die Inzidenz 1500. NRW-weit wurden laut dem Gesundheitsministerium in der vergangenen Woche 643 Covid-Fälle gezählt, in der Woche davor 490. In Düsseldorf wurden zuletzt Woche 49 Fälle erfasst, in Essen 38, in Duisburg 13, in Köln und Dortmund je 28, wie das Landeszentrum Gesundheit berichtet.

„Aktuell gibt es keine Hinweise auf eine sich abzeichnende Coronawelle in Nordrhein-Westfalen“, teilte das NRW-Gesundheitsministerium auf Nachfrage mit. Covid-19 dürfte künftig „Teil einer jährlichen Erkältungswelle“ sein. Im Fachjargon heißt das: Die Pandemie entwickelt sich zu einer Endemie.

Wie dicht sind die genannten Corona-Infektionszahlen an der Wirklichkeit?

„Sie sind ein schmaler Ausschnitt“, sagt Hans-Albert Gehle. Es gebe keine Test- und Meldepflichten mehr, viele Infizierte kurierten die Krankheit aus, ohne Mediziner zu konsultieren oder auch nur einen Test zu machen. Das Corona-Abwassermonitoring in NRW könne auch nur Schätzungen zum Infektionsgeschehen liefern. Laut der Landesregierung liefert das Abwassermonitoring derzeit keine Hinweise auf Covid-Gefahren. Sollten die Infektionszahlen regelrecht explodieren, dann würden das die Gesundheitsbehörden schnell feststellen können, ist sich Dr. Gehle sicher.

Also kein Grund zur Sorge?

Doch, aber das liegt nicht allein an Corona, sondern auch an vielen anderen Viren, die in den kommenden Wochen und Monaten verstärkt zirkulieren dürften. Das aktuelle Phänomen der „Sommergrippe“ unter vielen Erwachsenen ist Medizinern zufolge ein Indiz, dass die Immunabwehr vieler Bürgerinnen und Bürger nach der Pandemie und ihren Isolationen noch nicht wieder auf der Höhe ist. „Diese Sommergrippe-Fälle sind aber keineswegs der Beginn einer Covid-19-Welle“, beruhigt ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO). In vielen Fällen handele sich um „Rhinoviren“, also Erkältungserreger.

Was heißt das mit Blick auf den Herbst?

Insbesondere Ältere und Vorerkrankte sollten bald das Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt ihres Vertrauens suchen und über Vorbeugung reden. „In vier bis sechs Wochen dürfte sich die Frage nach der Impfung gegen Grippe und Corona stellen. Menschen die deutlich über 60 sind und Vorerkrankte sollten über eine Impfung nachdenken, denn eine starke Grippewelle ist in diesem Herbst und Winter möglich, und der Corona-Impfschutz ist für diese Menschen ebenfalls weiter wichtig“, rät Gehle. Senioren sollten sich zudem über eine Immunisierung gegen Pneumokokken informieren.

Auch Kinderärzte warnen vor einem Erkältungs-Herbst.

Sollte man auf neue Corona-Impfstoffe warten?

Dafür gebe es keine „goldene Empfehlung“, erklärt der KVNO-Sprecher. Ob die an die aktuellen Corona-Virusvarianten angepassten Impfstoffe wirklich schnell zur Verfügung stehen, ist noch offen. Biontech möchte zum Beispiel noch im September ausliefern. „Eine Impfung ist besser als keine Impfung, ob mit den alten oder den neuen Stoffen“, sagt Gehle. Interessierte können sich bei der Hausärztin/dem Hausarzt oder in Apotheken immunisieren lassen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beobachtet derzeit aufmerksam die neue Covid-Variante „EG.5“, auch „Eris“ genannt, die sich weltweit ausbreitet. Beweise, dass davon ein erhöhtes Risiko ausgeht, gibt es laut WHO aber nicht.

Wozu rät die Stiko beim Thema Corona?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät Personen mit einem „erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf“ -- Frauen und Männer ab 60 Jahren und Vorerkrankten sowie medizinischem Personal -- zu weiteren Corona-Auffrischungsimpfungen, in der Regel im Mindestabstand von zwölf Monaten zur letzten Impfung oder Infektion, vorzugsweise im Herbst. Laut RKI und Stiko gibt es inzwischen eine solide Basisimmunität der Bevölkerung gegen Covid-Viren, erreicht durch Schutzimpfungen und durchgemachte Infektionen.