Düsseldorf. Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel soll den Staatspreis NRW erhalten. Die Verleihung ist nicht ohne politische Brisanz.
Dieses Loblied sucht seinesgleichen. Da ist von „unermüdlichem Einsatz zum Wohl des deutschen Volkes“ die Rede, von „außergewöhnlichen humanitären Leistungen“, „diplomatischem Geschick und entschlossenem Handeln“, von einer Vorbildfunktion, „die zahlreichen Frauen als Ermutigung gedient hat“ – und trotzdem blicke die „herausragende Persönlichkeit“ und „prägende Politikerin unserer Zeit“ mit „großer Demut auf ihren eigenen Weg“. Das alles schreibt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) über die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (ebenfalls CDU). Ihr soll am 16. Mai in Köln der Staatspreis NRW verliehen werden, das ist die höchste Auszeichnung, die das Bundesland zu bieten hat.
Die Ehrerbietung kommt in einer Zeit, in der die ehemalige Bundeskanzlerin um ihr politisches Erbe zittern muss. Erst kürzlich hat ihr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik überreicht. Das stieß hierzulande nicht nur auf Zustimmung, sogar in der CDU war die Begeisterung nicht ungeteilt. Parteichef Friedrich Merz verzichtete explizit auf eine Bewertung der Ordensverleihung; der Arnsberger verkniff sich sogar einen Glückwunsch.
Verdienste sind unumstritten, aber Fehler hat sie auch gemacht
In der Rückschau wird deutlich, dass Angela Merkel in 16 Jahren als Regierungschefin eben nicht alles richtig gemacht hat. Ihre Verdienste sind unumstritten, aber vor allem das Chaos zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015, der Umgang mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin und die daraus folgende Abhängigkeit vom russischen Gas erweisen sich jetzt als Fehler. Die schleppende Digitalisierung und die zögerliche Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur hinterlassen nun ebenfalls tiefe Spuren.
Hendrik Wüst blendet das in seiner Begründung aus. Er distanziert sich mit der Auswahl der Preisträgerin erneut deutlich von Friedrich Merz – und sogar von sich selbst – wenn er schreibt: „Ob nach der Katastrophe von Fukushima, während der Euro- und Finanzkrise, der Flüchtlingskrise 2015 oder in den Jahren der Corona-Pandemie: Angela Merkel hat unser Land mit Beharrlichkeit, diplomatischem Geschick und entschlossenem Handeln in herausfordernden Zeiten sicher auf Kurs gehalten. Mit ihrer Entscheidung im Jahr 2015, Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, hat Angela Merkel den Abschottungstendenzen in Europa aus christlicher Grundüberzeugung Mut und Menschlichkeit entgegengesetzt.“
Christine Lagarde hält Laudatio
Den Atomausstieg nach Fukushima hält die CDU jetzt für falsch und unbegründet, und einer der parteiinternen Kritiker der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel und Armin Laschet in den Jahren 2014 und 2015 hieß Hendrik Wüst.
Jetzt lobt er „ihren von Zuhören und Abwägen geprägten Politikstil“, ihr pragmatisches Denken und ihre kluge Führung. Seine Taktik, so scheint es: Lass die in Berlin (und in Arnsberg) mal machen, ich fahre meinen eigenen Kurs.
Die Laudatio auf die Preisträgerin am 16. Mai hält Christine Lagarde. Die ehemalige Direktorin des Internationalen Währungsfonds und Präsidentin der Europäischen Zentralbank wird ein wenig internationalen Glanz nach Köln bringen.
Dass Friedrich Merz erscheinen wird, ist eher unwahrscheinlich. Dass er die Preisträgerin loben wird, auch.