Bochum. In NRW fehlen Frauenhausplätze und auch Personal, um den Betroffenen und ihren Kindern zu helfen. Träger fordern die Politik zum Handeln auf.

Er hatte ihr versprochen, ihr Leben schöner zu machen. In einer anderen Stadt, weit weg von ihrer Heimat im Ruhrgebiet. Nachdem ihre Tochter geboren war, kündigte Frau B. ihre Wohnung und zog zu ihrem damaligen Partner. Doch das ersehnte Familienleben wurde für die junge Mutter schnell zu einem „Alptraum“: „Er schlug mich, sagte mir oft, wie hässlich ich sei und versuchte, mich kleinzuhalten“, erzählt Frau B., die zu ihrem Schutz anonym bleiben möchte.

Während sie spricht, wirkt sie hektisch, ein paarmal überschlägt sich ihre Stimme. Noch immer hat sie Angst, vor die Tür zu gehen. Das Frauenhaus in Bochum, in das sie geflüchtet ist, verlässt sie kaum. Frau B. hatte Glück. Denn Frauenhausplätze in Nordrhein-Westfalen sind rar – obwohl sie immer dringender gebraucht werden.

Irgendwann, so erzählt Frau B. weiter, habe ihr Ex-Mann sie und ihre Tochter vor die Tür gesetzt. Sie zog zurück ins Ruhrgebiet. Doch auch dort habe der Mann ihr weiter aufgelauert, „manchmal stand er nachts vor der Tür, wollte mich kontrollieren.“ Den ständigen Druck habe sie nicht mehr ausgehalten. Von der Polizei bekam sie die Nummer vom Bochumer Frauenhaus. Doch der Anruf kostet Frau B. große Überwindung, „ich wusste ja gar nicht, was mich dort erwartet.“ Letztendlich griff sie wegen ihrer Tochter zum Hörer. Seit fast fünf Monaten leben sie jetzt dort.

Etwa 1150 Plätze fehlen in NRW

In einer gemeinsamen Mitteilung kritisierten die Caritas in Münster und der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Moers kürzlich einen Mangel an Plätzen in Frauenhäusern. Karina Eichhorn vom SkF und Monika Brüggenthies vom Diözesancaritasverband Münster verwiesen auf die ständige und hohe Nachfrage in ihren Einrichtungen. „Es ist schwer, dass wir so viele Frauen nicht aufnehmen können.“ Sie fordern mehr Plätze und mehr sozialen Wohnraum.

In NRW gibt es 69 vom Land geförderte Frauenhäuser, 17 davon in katholischer Trägerschaft. „Zu wenig“, sagt Brüggenthies, Landesvertreterin der caritativen Frauenhäuser. Die sogenannte Istanbul Konvention sehe pro 10.000 Einwohner einen Schutzplatz vor. „In NRW fehlen demnach etwa 1150 Plätze.“ Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband NRW (18 Frauenhäuser) und die Diakonie Rheinland Westfalen Lippe (7 Frauenhäuser) bestätigen einen Mangel an Plätzen.

Hohe Nachfrage seit Corona

Monika Brüggenthies beobachtet eine erhöhte Nachfrage schutzsuchender Frauen nach den corona- bedingten Lockdowns. Eine Statistik des Landeskriminalamts zeigt: Im Corona-Jahr 2021 wurden in NRW rund 30.760 Fälle von häuslicher Gewalt erfasst – ein Anstieg von 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Rund 70 Prozent der Opfer waren Frauen.

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Das Land hat bereits Maßnahmen ergriffen, um mehr Frauen Schutz zu bieten. Etwa durch Umbaumaßnahmen von Frauenhäusern oder der Einführung einer zusätzlichen Platzpauschale für jeden Schutzplatz, der über der Mindestzahl von acht Plätzen pro Haus liegt, wurden in den letzten sechs Jahren 95 neue Akutschutzplätze errichtet, heißt es vom NRW-Familienministerium. Zudem wolle das Land mehr Plätze fördern und ebenso neue Frauenhäuser bauen, so eine Sprecherin.

„Wir bieten mehr als ein Schutzzimmer“

Für Ulrike Langer, Leiterin des Bochumer Frauenhauses, reicht es nicht aus, neue Plätze zu schaffen. Sie fordert eine auskömmliche Finanzierung. „Um den Frauen gerecht zu werden, brauchen wir vor allem mehr Personal“, sagt sie. In ihrem Haus können 14 Frauen und 15 Kinder unterkommen. „Nach ihrer Ankunft bieten wir den Frauen psychosoziale Beratung an, fangen sie in ihrer Krise auf.“ Langer: „Wir bieten mehr als ein Schutzzimmer. Das muss finanziert werden.“

Auch für die Schutzsuchenden selbst müsse die Finanzierung auf Landesebene geregelt werden. In ihrem Haus zahlen Frauen, wenn sie keine Sozialhilfe empfangen, in der Regel 58 Euro am Tag, Kinder 51. „Es wäre schön, wenn wir uns nicht um Bürokratie, sondern ganz um die Frau kümmern könnten“, wünscht sie sich. Das Land will im zweiten Halbjahr 2023 Frauenhäuser um eine Fachkraftstelle für die Arbeit mit den dort lebenden Kindern erweitern.

Gewalt und Kontrolle ausgesetzt

Frau S. ist vor zwei Monaten mit beiden Kindern ins Bochumer Frauenhaus geflohen. Acht Jahre lang war sie der Gewalt ihres Ex-Mannes ausgesetzt. „Wegen meiner Kinder habe ich ihn nicht verlassen“, sagt Frau S., die ihren Namen nicht öffentlich nennen will. Noch immer wird sie vom ehemaligen Partner und dessen Familie gesucht. Auch ihre eigene Familie, zu der sie ein schwieriges Verhältnis hat, weiß nicht, wo sie sich gerade aufhält.

Damals sei sie von allen ständig kontrolliert worden, bei Arztterminen oder einem Bummel in der Stadt. „Ich musste immer sagen, wo ich bin oder mit wem ich spreche.“ Auf einem Spielplatz rief sie schließlich beim Frauenhaus an und suchte sich Hilfe. „Ich wollte nicht, dass meine Kinder dasselbe durchmachen müssen wie ich“, sagt Frau S., die bald in eine eigene Wohnung ziehen möchte.

Auch Frau B. plant einen Umzug, wartet aber noch auf ein Dokument für ihre Tochter. Zu ihrer Familie hat sie ebenfalls fast keinen Kontakt mehr. „Sie haben mich nie unterstützt, sondern mich verurteilt, als ich mich von meinem Mann getrennt habe.“ Am liebsten möchte sie raus aus Bochum, um mit ihrer Tochter endlich „in Ruhe“ leben zu können.

Hier finden Betroffene Hilfe

Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, können sich unter www.frauen-info-netz.de Hilfe suchen. Dort sind alle Frauenhäuser in NRW aufgeführt.

Auf der Seite können Betroffene einsehen, welches Haus gerade Platz hat. Steht ein Haus auf grün, ist Platz für Frauen und Kinder. Gelb bedeutet, dass nur eine einzelne Frau Platz hat. Steht ein Haus auf rot, ist es bereits belegt.