Essen. Obwohl immer mehr Menschen austreten, stiegen zuletzt die Einnahmen aus den Kirchensteuern. Was machen die Kirchen mit dem Geld? Ein Überblick.

Mehr als 12,7 Milliarden Euro haben die beiden christlichen Kirchen 2021 an Kirchensteuern eingenommen. Zuletzt stiegen ihre Einnahmen sogar, obwohl sich die Menschen in Scharen von der Kirche abwenden. Evangelische und katholische Kirchenmitglieder sind in Deutschland bereits in der Minderheit, ihr Anteil liegt mittlerweile bei unter 50 Prozent der Bevölkerung. Experten erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt. So traten im Jahr 2022 rund 32.000 Christen aus der Evangelischen Landeskirche Westfalen aus. Das Bistum Essen beklagte mit 9133 Austritten zuletzt ebenfalls einen Negativrekord.

Dennoch kletterten die Einnahmen der katholischen Kirche in Deutschland insgesamt auf rund 6,7 Milliarden Euro, laut Deutscher Bischofskonferenz ist das der zweithöchste jemals gemessene Wert. Die 20 evangelischen Landeskirchen konnten 2021 einen Rekordwert von rund sechs Milliarden Euro verbuchen.

Ein Grund für diese Entwicklung ist die stabile Konjunktur und der Umstand, dass die geburtenstarken Jahrgänge derzeit hohe Kirchensteuerträge einbringen, denn die Einnahmen sind an die Lohn- und Einkommenssteuer gekoppelt. In NRW liegt der Kirchensteuersatz bei neun Prozent der zu zahlenden Lohn- oder Einkommenssteuer.

Was passiert eigentlich mit dem Geld?

Die Kirchensteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Kirchen, sie finanzieren damit ihr Personal, Schulen, Kitas, Kultur und Seelsorge, etwa in Krankenhäusern oder Gefängnissen. Ein Teil fließt in weltweite Aufgaben wie Mission und Entwicklungshilfe. Auch die Leitung und Verwaltung der Bistümer, der Erhalt der Gebäude sowie Gebühren an den Staat für den Einzug der Kirchensteuer müssen bezahlt werden. Neben dem Staat gehören die Kirchen zu den größten Arbeitgebern in Deutschland.

Wer entscheidet über die Verwendung des Geldes?

Wie die Mittel verwendet werden, wird weder der evangelischen noch der katholischen Kirche von zentraler Stelle vorgegeben. Die Kirchen beziehungsweise ihre regionalen Verwaltungsbezirke entscheiden selbst, wie sie die Steuereinnahmen verwenden. In der katholischen Kirche legen die 27 selbstständigen Diözesen das Budget jedes Jahr neu fest. In der evangelischen Kirche sind dafür die bundesweit 20 Landeskirchen zuständig.

Wofür wird das Geld verwendet?

Oft ist an den einzelnen Posten im Finanzbericht nicht leicht ersichtlich, was genau damit bezahlt wird. Am Beispiel des Haushalts des Bistums Essen wird es deutlicher: Die Netto-Kirchensteuereinnahmen, also abzüglich etwa der Gebühren an die Finanzämter, betrugen nach Angaben des Bistums im Jahr 2022 rund 166,6 Millionen Euro, der geplante Haushalt für 2023 umfasst laut Bistum insgesamt 265,7 Millionen Euro, darin sind zum Beispiel Spenden und Kollekten, Zuwendungen, Mieten und Pachterträge sowie staatliche Zuwendungen enthalten. Zum Vergleich: die Kirchensteuereinnahmen der Evangelischen Kirche von Westfalen betrugen 2021 rund 552 Millionen Euro, davon fließen mehr als 206 Millionen Euro allein in die Besoldung der Pfarrerinnen und Pfarrer.

Der größte Ausgabenposten (knapp 57 Millionen Euro) ist mit 22,5 Prozent des Bistums-Haushalts die „Gemeindliche Seelsorge“. Dazu gehören vor allem die Finanzierung der Kirchengemeinden sowie die Bezüge der Seelsorgerinnen und Seelsorger. Hinzu kommt die Finanzierung der Gemeindeverbände, der Stadt- und Kreisdechanten sowie die Unterstützung des Klosters Stiepel in Bochum und der Karmelklöster in Essen und Duisburg.

Die Rubrik „Schule“ ist mit über 20 Prozent der Aufwendungen (rund 51 Millionen Euro) der zweithöchste Ausgabenposten des Bistums. Für den Betrieb der „Kitas“ wendet das Bistum 18,2 Millionen Euro auf, das sind etwa 7 Prozent des Etats. Das Bistum Essen ist Träger von sieben Schulen unterschiedlicher Schulformen. Das Land übernimmt hier 94 Prozent der Kosten, der Träger ist mit sechs Prozent beteiligt. Faktisch liege der Eigenanteil nach Angaben des Bistums aber durch Kosten für die Gebäude deutlich höher. Der Trägeranteil für die Kitas liegt für die Kirche bei 10,3 Prozent. Der Rest wird von Kommunen und Land getragen.

Der Punkt „Bischöfliche Verwaltung“ (rund 34 Millionen Euro) umfasst die Finanzierung des Personals des Bistums - von IT- und Finanzabteilung bis Presseabteilung. Hinzu kommt die Förderung etwa der Kirchenmusikschule, des Domkapitels und des „Bischöfliches Offizialats“, also des kirchlichen Gerichts.

Zum Ausgabenbereich „Jugend“ (rund 8 Millionen Euro) gehört unter anderem die Bischöfliche Fachstelle für Kinder, Jugend und junge Erwachsene, das Jugendhaus St. Altfried sowie die Jugendberufshilfe.

Unter dem allgemeinen Begriff „Bildung“ (6,4 Millionen Euro) verbucht der Haushaltsplan Ausgaben für das Tagungszentrum und die katholische Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim sowie die Familien- und Erwachsenenbildung.

Im Unterschied zur „Gemeindlichen Seelsorge“ beschreibt der Posten „Kategorialseelsorge“ (5,6 Millionen Euro) pastorale Angebote etwa in der Krankenhaus-, Altenheim-, Hospiz-, Notfall-, Polizei-, Schiffer- oder Gefangenenseelsorge.

Die Entgelte an den Staat für die Einziehung der Kirchensteuer werden unter dem Punkt „Hebegebühren“ (6 Millionen Euro) verbucht.

Wie finanziert der Staat kirchliche Schulen?

Zum Teil fast komplett. Nach Auskunft des NRW-Schulministeriums übernimmt das Land NRW 87 bis 94 Prozent der laufenden Ausgaben für Schulen in kirchlicher Trägerschaft. Bei Förderschule sind es 98 Prozent. Insgesamt finanziert das Land private Ersatzschulen im laufenden Jahr mit gut 1,8 Milliarden Euro.

Dennoch haben die Träger laut Schulgesetz das Recht, die Schüler nach bestimmten Kriterien auszuwählen. „Mit der Berechtigung der Ersatzschulen, sich eine religiöse Prägung geben zu dürfen, kann die Konfession der Schülerinnen und Schüler ein Auswahlkriterium sein“, teilt das Ministerium mit. Einen festgelegten Anteil oder Prozentsatz von Schülern, die diesem Kriterium entsprechen müssen, gebe es allerdings nicht.

Wie finanziert der Staat kirchliche Kitas?

Kitas in kirchlicher Trägerschaft werden vom Land in diesem Jahr mit insgesamt 1,15 Milliarden Euro bezuschusst. Den Finanzierungsanteil der Kirchen legt das Kinderbildungsgesetz auf 10,3 Prozent fest. Zum Vergleich: Freie Träger tragen einen Anteil von 7,8 Prozent, Elterninitiativen von nur 3,4 Prozent. Der höhere Eigenanteil der Kirchen wird mit ihren Einnahmen aus Kirchensteuern und ihrem „pastoralen Auftrag“ begründet.

Laut Familienministerium darf die Aufnahme eines Kindes nicht aus Gründen der Herkunft, Behinderung, Nationalität oder Religion verweigert werden. Dennoch können „alle Träger im Rahmen ihrer Autonomie Aufnahmekriterien festsetzen, solange sie das Diskriminierungsverbot nicht verletzen“. Was das im Einzelfall bedeutet, lässt das Ministerium offen. Da es aber im Gegensatz zur Schule keine „Kita-Pflicht“ gibt, hätten die Eltern die Wahl zwischen verschiedenen Trägern.

Was erhält die Kirche zusätzlich vom Staat?

Der Staat finanziert die Kirchen außerdem über die sogenannten Staatsleistungen mit insgesamt jährlich rund 550 Millionen Euro. Somit finanziert jeder Steuerzahler, auch wenn er keiner Konfession angehört, die Kirchen mit.

Rechtlich stehen den Kirchen die Gelder als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Besitztümer im 19. Jahrhundert im Zuge der Säkularisation zu. Doch auf diese Zuwendungen, mit denen auch Gehälter der Kirchenleitungen bezahlt werden, müssen die Kirchen womöglich künftig verzichten. Die Ampel-Koalition ist die erste Bundesregierung, die die Ablösung der Staatsleistungen im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat. 2021 erhielt das Bistum Essen rund 1,9 Millionen Euro an Staatsleistungen.

Was ist der Essener Dom wert?

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Fast nichts. In den Büchern des Bistums werden sakrale Gebäude wegen ihres nicht vorhandenen Marktwertes mit „1 Euro“ bewertet. Die dazugehörigen Grundstücke in Essen haben einen Bilanzwert von knapp 13 Millionen Euro. Dieser orientiert sich am Bodenrichtwert der Nachbarschaft. Für Unterhalt und Renovierung der teils fast 1200 Jahre alten Bausubstanz ist das Bistum zuständig, sie werden aus Mieteinnahmen, Spenden, Eintrittsgeldern und staatlichen Mitteln aus der Denkmalförderung beglichen

Welche finanziellen Perspektiven sieht die Kirche?

In Zukunft dürften die Steuergelder wohl kaum mehr so üppig sprudeln wie in den vergangenen Jahren. „Bisher wurden „die enormen Austrittszahlen durch einen hohen Beschäftigungsgrad, eine gute Lohnentwicklung und damit individuell hohe Kirchensteuerzahlungen vieler Mitglieder kompensiert“, schreibt Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums, im aktuellen Finanzbericht.

Da laut Pfeffer die meisten Menschen zwischen dem 25. Und 35. Lebensjahr aus der Kirche austreten, fehlten der Kirche auch die Steuereinnahmen der Zukunft. „Jeder aktuelle Austritt verändert also die künftige Gestalt der Kirche.“