Düsseldorf. Ein internes Schreiben zeigt, wie die Spurensuche beim A45-Brückendesaster immer seltsamere Blüten treibt.

Die Regionalniederlassung Südwestfalen des Landesbetriebs „Straßen.NRW“ in Hagen galt bislang nicht als Spielort wilder Verfolgungsjagden und geheimnisvoller Büro-Razzien. Die bevorstehende Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Landtag zum A45-Brückendesaster von Lüdenscheid scheint das jedoch verändert zu haben, wie ein bemerkenswert bizarrer Behördenbericht für Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) im März im NRW-Landtag offenbarte.

Was war geschehen? Unsere Redaktion hatte Anfang März von einer Art Hausverbot für Mitarbeiter der Bundesautobahngesellschaft in der Regionalniederlassung Südwestfalen beim Landesbetrieb „Straßen.NRW“ berichtet. Beide Verkehrsplanungsbehörden sind in Hagen Nachbarn und haben bis 2021, als die Zuständigkeit für Autobahnen in eine GmbH des Bundes wechselte, noch als Kollegium unter einem NRW-Dach gearbeitet. Insbesondere seien Räume „mit A-45-Bezug“ beim Verlassen abzuschließen, hieß es jetzt in einer internen Rundmail. Raucher hätten sicherzustellen, dass Pausen nicht für den illegalen Zugang genutzt würden. Sollte bei einer besonders ausgeprägten Dreistigkeit der Zugang erzwungen werden, sei die Polizei zu alarmieren.

Die SPD-Opposition wollte nun von Krischer genauer wissen, was da eigentlich los ist in einem Landesbetrieb, in dem vornehmlich die Ingenieurskunst zuhause sein sollte. Das Verkehrsministerium holte bei der Direktorin von „Straßen.NRW“, Petra Beckefeld, eine Stellungnahme ein. Das Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, liest sich wie ein Frontbericht im Kampf um die Schuldfrage im Debakel der seit über einem Jahr gesperrten Rahmedetalbrücke.

Kaffee noch austrinken und dann Haus unter Begleitung verlassen

Beckefeld berichtet in schillernden Details, wie ein inzwischen für den Bund tätiger ehemaliger Mitarbeiter Mitte Februar probiert habe, auf der Suche nach Unterlagen in die Hagener Räume von „Straßen.NRW“ zu gelangen. Zunächst „an den Rauchern vorbei über die Nebentür“. Dann über den Haupteingang. „Unser Mitarbeiter erkannte diesen Versuch und ging im Gebäude zum Haupteingang und verweigerte auch dort den Zutritt“, schreibt Beckefeld. Als es dem Eindringling dennoch gelang, zu einem ehemaligen Kollegen ins Büro vorzudringen, habe man ihn „darauf hingewiesen, dass er noch den Kaffee austrinken könnte, dann aber anschließend unter Begleitung das Gebäude verlassen müsse“.

Im gleichen Zeitraum habe ein anderer Mitarbeiter der Bundesautobahngesellschaft (AdB) einen Abteilungsleiter von „Straßen.NRW“ telefonisch gebeten, „unsere Büros durchsuchen zu dürfen, um selbst zu überprüfen, ob die KollegInnen der AdB nicht evtl. Unterlagen vergessen hätten mitzunehmen“, berichtet Beckefeld. Man erlebe die Bundeskollegen zurzeit „äußerst nervös, ungeduldig unter hohem Druck stehend“. Die Regionalchefin der Bundesautobahngesellschaft, Elfriede Sauerwein-Braksiek, die vormals „Straßen-NRW“ führte, habe alle Mitarbeiter strikt angewiesen, alle Unterlagen zur Rahmedetalbrücke „in einem Büroraum zusammenzutragen“.

SPD warnt davor, dass weitere Akten gelöscht werden könnten

Krischer verteidigte das Räuber-und-Gendarm-Spiel um die die A45-Akten in der Fragestunde des Landtags mit dem Hinweis, Dienstgebäude seien nun einmal gegen den Zutritt Unbefugter zu schützen. Wirklich zu verstehen ist die gereizte Stimmung aber nur vor dem Hintergrund des Untersuchungsausschusses, der Ende des Monats eingesetzt werden soll. Das Gremium hat gerichtsähnliche Befugnisse und kann vertrauliche Regierungsakten einsehen sowie Zeugen vorladen.

SPD und FDP wollen vor allem die Rolle des früheren Verkehrsministers und heutigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) beleuchten. Seit der Vollsperrung der Rahmedetalbrücke erleidet die wichtigste Industrieregion Nordrhein-Westfalens einen Verkehrsinfarkt. Argwohn weckt der Umgang mit Unterlagen zur A45. Zunächst hieß es von der schwarz-grünen Landesregierung, alle Akten des Landes seien mit dem Zuständigkeitswechsel auf den Bund übergangen. Dann tauchten doch noch Schriftwechsel zwischen Staatskanzlei und Verkehrsministerium auf. Später kam raus, dass sie an einer entscheidenden Stelle abrissen. Vor einigen Wochen war plötzlich von umfangreichen weiteren Unterlagen die Rede, die doch noch beim Land gespeichert seien.

„Das ist alles schon sehr abenteuerlich. Die Nerven scheinen blank zu liegen“, sagte SPD-Verkehrspolitiker Gordon Dudas am Freitag. Wüst und Krischer müssten sich umgehend darum kümmern, dass keine Akten gelöscht werden oder sonst irgendwie verschwinden. Erst mit dem Einsetzungsbeschluss des Untersuchungsausschusses sind die Behörden und Ministerin schließlich verpflichtet, Akten herauszurücken. Dudas warnte vorsorglich: „Da stehen sie ganz klar in der Pflicht, für einen ordnungsgemäßen Ablauf und eine reibungslose Untersuchung zu sorgen.“