Essen. Wieso, weshalb, warum: Mit pfiffigen Experimenten begeistert Prof. Schlücker Kinder für Naturwissenschaften. Jetzt will er das Projekt ausweiten.
„Hä?“ Den Kindern in Klasse 4a stehen an diesem Morgen Fragezeichen im Gesicht. „Wir bauen uns einen Feuerlöscher selbst?“ Richtig. „Und dafür brauchen wir eine feuerfeste Unterlage, ein Feuerzeug, eine Kerze, Essig – und Backpulver“ erklärt Klassenlehrerin Anna Bergner und klaubt alles nacheinander aus einer großen Kiste. „Backen wir also doch einen Kuchen?“ ruft ein Kind. „Aber Essig tut man doch in den Salat“, weiß Finja. Ganz genau.
Experimentierstunde an der Kraienbruch-Grundschule in Essen. Sebastian Schlücker, Professor für Physikalische Chemie an der Uni Duisburg-Essen, hat sich das alles ausgedacht und die große Kiste mitgebracht. Die Schule tief im Essener Norden ist ein in die Jahre gekommener, dunkler Backsteinbau in einer Nebenstraße. „Schon mein Vater ging hier zu Schule, deshalb liegt sie mir besonders am Herzen.“ Experimentamus! - so nennt er seine Aktion, mit der er mit spannenden Versuchen Grundschulkinder für die meist oftmals unbeliebten Naturwissenschaften begeistern will. „Die Kinder lernen etwas und haben auch noch Spaß dabei.“ So sollte es sein.
40 anschauliche Versuche
Eine ganze Reihe von Experimenten hat Schlücker in seinem Kasten. Wieso bremst ein Fallschirm den Fall? Weshalb erlischt ein Teelicht, wenn man ein Glas darüber stülpt? Warum bleibt ein Wattebausch in einem umgedrehten Becher unter Wasser trocken? Wie baue ich einen Stromkreis, damit den Kindern am Ende ein Licht aufgeht? Insgesamt 40 anschauliche Versuche für Grundschulkinder hat er sich im Laufe der Jahre ausgedacht und damit schon viele Schülerinnen und Schüler zum Staunen gebracht.
Heute steht der CO2-Feuerlöscher auf dem Programm. Chemiestudent Nikolas Milches macht es vor. Zunächst zündet er ein Teelicht an und stellt es in ein Glas. Dann kippt er etwas Backpulver in einen Plastikbecher und gießt einen Schluck Essig dazu. Da blubbert es, zischt und schäumt. Dann hält er den Becher etwas schräg über die brennende Kerze – und die Flamme erlischt. „Wie geht das denn?“, fragt Hussein mit großen Augen. Und damit hat Schlücker die Kinder genau dort, wo er sie haben will: Sie wollen etwas wissen. Findet die Antwort!
Blubberbläschen im Plastikbecher
„Die Kerze ist ausgegangen wegen dem ganzen Sprudel“, vermutet Suse. „Man hat gar nicht gesehen, was es war“, sagt Finja - und ist dem Gas damit schon auf der Spur. Das waren wohl die Blubberbläschen. „Ich glaube, das hat mit der Luft und dem Kohlendioxid zu tun“, meint Sidar. Schlau! Denn Professor Schlücker hatte zuvor erklärt, dass CO2 entsteht, sobald Essig und Backpulver aufeinandertreffen. In Fred arbeitet es, er sagt: „Meine Vermutung ist, das hat den Sauerstoff verdrängt und durch das ganze Kohlendioxid in dem Glas konnte die Kerze nicht mehr atmen.“ Emily ruft: „Da ist Löschgas drin!“ Jaklar!
Jetzt dürfen die Kinder an ihren Gruppen-Tischen die Sache einmal selbst ausprobieren. Alle setzen Schutzbrillen auf und sind konzentriert bei der Sache, rühren, gießen, schütten und löschen. Wie leicht das ist, wenn man weiß, wie es geht. „Jetzt bin ich aber mal dran!“
Vom Hobbykeller in die Klassenräume
Die Idee zu den Schulexperimenten wurde vor einigen Jahren im heimischen Keller geboren, erzählt Sebastian Schlücker. „Mit meinen Söhnen habe ich zu Hause experimentiert – und die fanden das toll.“ Es war Zufall, dass er einer Grundschullehrerin davon erzählte, sie sagte: Können Sie das auch mal an unserer Schule machen? Die Sache weitete sich aus, inzwischen hat der Professor schon rund ein Dutzend Schulen in Essen, Gelsenkirchen und Velbert mit seinen Experimente-Boxen besucht.
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Seine Kästen liefern kindgerechte Erklärungen und die Lernheftchen gleich mit. Behandelt werden Themen des Sachunterrichts zu Luft, Wasser, Magnetismus und Elektrizität. „Ich sehe das als Basisförderung. Die Kinder sind neugierig und wollen Sachen verstehen“, sagt Schlücker und hat sichtlich selbst Spaß daran. Seine Mission: Schon bei Kindern Vertrauen in die Wissenschaft und Freude am Forschen zu wecken. „Es geht auch um Mündigkeit, also darum, mit Fakten zu argumentieren und diese von Behauptungen zu unterscheiden“, sagt Schlücker. Ihm ist es wichtig, dass sein Projekt in den Schulen selbst stattfindet: „Mit Schulveranstaltungen an der Uni erreichen wir sonst nur das ohnehin schon bildungsnahe Klientel.“
Der Luftballon und das Rückstoßprinzip
Nun will Schlücker das Projekt aus dem Hobbykeller herausholen und professioneller aufziehen, um seine Experimente künftig möglichst im ganzen Ruhrgebiet anbieten zu können. Für drei Euro erhält jedes Kind der teilnehmenden Grundschulen ein persönliches Lernheft, die Boxen erhalten die Schulen leihweise und kostenlos. So kann sich „Experimentamus!“ mit kleinem finanziellen Aufwand tragen. „Ich verdiene damit nichts. Mein Lohn ist der Spaß der Kinder“, erklärt er sein Engagement.
Aber jetzt wollen alle noch wissen, warum ein Düsenjäger fliegt. Für die Antwort braucht man einen Luftballon, eine lange Kordel und einen Strohhalm. Die Schnur wird quer durch den Klassenraum gespannt. Student Nikolas Milchers muss auf einen Stuhl steigen und ein Ende der Kordel in die Höhe halten. „Alles für die Wissenschaft“, stöhnt er. Der Professor bläst mit dicken Backen den Ballon auf. Lino hilft ihm dann, den Ballon mit Tesafilm an dem Strohhalm zu befestigen, durch den die Kordel verläuft.
„In welche Richtung fliegt der Ballon?“, fragt Schlücker. Die Kinder zeigen nach vorne. „Richtig. Die Luft strömt nach hinten raus und drückt den Ballon nach vorn.“ Schlücker lässt los, und der Ballon saust an der Kordel entlang, bis ihm die Puste ausgeht. Rückstoßprinzip – weiß jetzt jedes Kind. Plötzlich knallt es, das Ding ist geplatzt! Was für ein kluger Spaß. Große Pause.
Interessierte Grundschulen können sich melden unter: exp@mint-lernen.de