Düsseldorf. Offenbar wollten die Terror-Verdächtigen in der Silvesternacht Menschen vergiften. NRW-Behörden erfuhren dies erst eine Woche später.
Im Zusammenhang mit dem Anti-Terror-Einsatz vor einer Woche in Castrop-Rauxel wurde am Montag bekannt, dass die beiden Verdächtigen – ein 32-jähriger Iraner und sein 25 Jahre alter Bruder -- offenbar einen „terroristischen Anschlag im Auftrag des sogenannten IS in der Silvesternacht 2022“ planten. Es sei geplant gewesen, mit den Giften Rizin oder Cyanid zum Jahreswechsel eine „größere Menschengruppe“ anzugreifen. Das geht aus einem Bericht von NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) an den Rechtsausschuss des Landtages hervor.
Pikant: Die NRW-Justizbehörden erfuhren von diesen Terrorplänen erst am 7. Januar. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte aber schon am 30. Dezember 2022 „im Rahmen des internationale Nachrichtenaustausches“ erfahren, dass ein in Deutschland lokalisierter Telegram-Nutzer diesen Anschlag plane. Damit ist offenbar der 32-jährige Iraner in Castrop-Rauxel gemeint. Die Frage steht im Raum: Wie kann es sein, dass mehr als eine Woche vergeht, bis NRW-Behörden in Kenntnis gesetzt wurden?
Fehlten für den Terror in der Silvesternacht die Giftstoffe?
Das NRW-Justizministerium erklärte in der Sonder-Ausschuss-Sitzung, dass die IP-Adresse dieses Verdächtigen erst am 6. Januar Nordrhein-Westfalen zugeordnet werden konnte. Das BKA erfuhr zudem, dass der Telegram-Nutzer den Anschlag am Silvesterabend nicht durchführen konnte, weil er die Stoffe für de Giftherstellung noch nicht hatte. Er halte dennoch an seinen Tatplänen fest, heißt es im Bericht. Und weiter: „Er habe im Internet den letzten notwendigen Grundstoff (,,lron Powder" - Eisenpulver) für die Herstellung von Toxinen erworben und erwarte dessen Zustellung am 6. Januar 2023.“
Wurden jetzt doch in der Wohnung Stoffe zur Giftherstellung entdeckt?
Am Montagmorgen meldete das ARD-Hauptstadtstudio mit Hinweis auf Informationen aus Sicherheitskreise, dass bei den Verdächtigen nun doch Substanzen zur Giftherstellung gefunden worden seien. Bisher hieß es, solche Substanzen seien nicht gefunden worden. Laut ARD wurde die Wohnung des 32-jährigen Iraners ein zweites Mal durchsucht. Dieses Mal seien die Ermittler fündig geworden.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf erklärte inzwischen, dass bei der neuen Untersuchung am vergangenen Freitag weitere Beweismittel gefunden worden seien. Den ARD-Bericht, wonach es sich bei den neu gefundenen Beweismitteln um Substanzen zur Herstellung von Giftstoffen handelte, bestätigte ein Sprecher der Behörde aber nicht.
Die Opposition ist wegen der vielen neuen Erkenntnisse alarmiert: „Die Landesregierung hat zahlreiche Fragen offengelassen“, sagte SPD-Justizexperte Hartmut Ganzke. Er will unter anderem wissen, warum die Info über die Anschlagspläne so spät zu den NRW-Behörden gelangten und warum Innen- und Justizministerium darüber zunächst offenbar nicht kommuniziert hätten.
Zweiter Verdächtigter bewegte sich frei trotz Haftstrafe
Der ebenfalls verdächtige 25-jährige Bruder war wegen versuchten Mordes 2019 zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war, soll sich aber nach Informationen dieser Zeitung zuletzt dutzende Male unbegleitet als Maßregelvollzugs-Patient frei bewegt und Kontakt zu seinem Bruder gehabt haben.