Essen. Hunderte Wissenschaftler der „Scientists for Future“ fordern vom Land den Stopp der Bagger in Lützerath. Forscher uneins über die Klimafolgen.
Für die Umweltschutzorganisation BUND ist die Fortsetzung des Abbaus in Lützerath schlicht „Braunkohlen-Irrsinn“. Es gebe keine energiepolitische Notwendigkeit, die Kohle unter Lützerath abzubaggern. Die Wissenschaft ist sich indes nicht so einig, was die Folgen der Förderung betrifft.
Prof. Manfred Fischedick, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat die Gutachten zum Energiebedarf ausgewertet. Selbst unter optimistischen Annahmen kommt er zu dem Schluss, „dass es knapp werden kann, wenn man ohne die Braunkohle aus Lützerath auskommen muss.“
Bis 2030 Einsparungen möglich
Denn viele Studien ließen unberücksichtigt, dass zu der Menge an Braunkohle, die für die Verstromung verwendet wird, zusätzlich rund 55 Millionen Tonnen für „Veredelungsprodukte“ benötigt würden. Damit meint er etwa Briketts oder Braunkohlestaub, der in Kraftwerken eingesetzt werde.
Auch interessant
Die zusätzliche Kohleverstromung führe in den kommenden Jahren zwar zu einem Anstieg der Emissionen, so Fischedick. „Bis 2030 ergeben sich aber viele Möglichkeiten, die gesetzten Ziele wieder zu erreichen und die Mehr-Emissionen auszugleichen.“ Unter dem Strich sei auch wegen des Europäischen Emissionshandelssystems davon auszugehen, dass die Entscheidungen von Bundes- und Landesregierung, den Ausstieg um acht Jahre auf 2030 vorzuziehen, „einen klaren emissionsmindernden Effekt haben“.
Wissenschaftler für Moratorium der Räumung
Kritisch äußert sich eine Gruppe von Wissenschaftlern der Scientists for Future in einem offenen Brief an die Landesregierung, der binnen Stunden von über 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterzeichnet wurde. „Es gibt substanzielle Zweifel an der akuten Notwendigkeit einer Räumung“, heißt es in dem Brief. Mehrere Gutachten kämen zu dem Schluss, „dass ein Abbau der Braunkohle unter Lützerath für eine technische Versorgungssicherheit und Netzstabilität nicht nötig, sondern politisch bestimmt ist.“ Die Forscher fordern ein Moratorium der Räumung, dies eröffne die Chance für einen offenen „Dialogprozess mit allen Betroffnen“.
Auch interessant
Auch Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, setzt auf die Wirkung des Emissionshandels in der EU. „Solange die Obergrenze für den Ausstoß von Treibhausgasen wirklich hart bleibt und der CO-Preis wirkt, können wir vorübergehend auch mehr Kohle verfeuern“, sagte Edenhofer, Mercator-Gastprofessor der Uni Duisburg-Essen, dem Kölner Science Media Center. Dies führe durch die Mechanik des Emissionshandels zu Einsparungen an anderer Stelle, da die Anzahl der Verschmutzungszertifikate insgesamt begrenzt ist. „Auch wenn Lützerath abgebaggert wird, hat die Kohle keine Zukunft.“