Essen. 85 Studierende pro Hochschullehrer – in keinem Bundesland ist der Wert so schlecht wie in NRW. Studierende sehen Nachteile für ihr Studium.

In keinem anderen Bundesland muss ein Universitäts-Professor mehr Studierende betreuen als in Nordrhein-Westfalen. An den Unis in NRW betreute im Jahr 2021 ein Professor oder eine Professorin im Durchschnitt aller Fächer 85 Studierende. Zwar sank die Quote im Vergleich zum Vorjahr (89) leicht, dennoch liegt NRW abgeschlagen auf dem letzten Platz der 16 Bundesländer. Seit Jahren weist das Land die mit Abstand schlechteste Betreuungsrelation auf.

Dies ergab die jüngste Erhebung der Fachzeitschrift „Forschung & Lehre“, die auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes beruht. Zum Vergleich: Laut „Uni-Barometer“ hat in Mecklenburg-Vorpommern eine Hochschullehrkraft nur etwa halb so viele Studierende (43) zu betreuen. In Baden-Württemberg kommt ein Professor auf 53 Studierende, in Bayern sind es 61. Im Durchschnitt aller Bundesländer beträgt der Wert 1 zu 63. Damit hat sich das Betreuungsverhältnis bundesweit insgesamt leicht verbessert, im Jahr zuvor waren es im Schnitt 65 Studierende pro Hochschullehrer.

Die Unis in NRW klagen angesichts der schlechten Betreuungsquote über eine hohe Belastung der Lehrkräfte. NRW drohe bei der Studienqualität weiter abgehängt zu werden, mahnen Kritiker, denn bei der Wahl des Studienortes schauten viele angehende Studierende auf diese Kennzahl. Wo die Betreuungsrelation schlecht ist, befürchten manche lange Studienzeiten, übervolle Hörsäle und Seminare sowie höhere Abbrecherquoten, erklären Studierenden-Vertreter.

Studierende klagen über Studienbedingungen

„Viele Studierende beklagen sich, weil Lehrende nicht auf Emails antworten, ewig für die Korrektur einer Hausarbeit benötigen oder kaum Sprechstunden anbieten“, sagt Amanda Steinmaus, Koordinatorin des Landes-Asten-Treffens NRW. Es dürfe nicht sein, dass Studierende in NRW deutlich schlechtere Bedingungen vorfinden als in anderen Bundesländern, so die Studentin an der Uni Duisburg-Essen. Die schlechte Personalsituation schränke die Möglichkeiten der Studierenden im Studium stark ein und sorge für eine schlechtere Qualität der Lehre.

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Eine Ursache sieht Steinmaus auch in dem Umstand, dass viele Lehrkräfte, die keine Professur haben, befristet beschäftigt sind. „Die Studierenden können sich überhaupt nicht darauf verlassen, dass sie ihre Lehrenden im kommenden Semester noch vor Ort kontaktieren können.“ Die Studierendenvertretung fordert die Landesregierung auf, schnell zu handeln, „sonst stehen wir in vier Jahren wieder genauso schlecht da wie jetzt. Das wäre ein Desaster für den Bildungsstandort NRW und besonders für die Studierenden.“

Landesregierung verspricht Verbesserungen

Besserung hatte die schwarz-grüne Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vom Mai 2022 versprochen. „Wir wollen mehr Studienanfängerinnen und -anfänger zu erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen machen. Wir werden die Betreuungsrelation an den Hochschulen verbessern und dazu u. a. die Qualitätsverbesserungsmittel erhöhen“, heißt es auf Seite 67 des „Zukunftsvertrags für Nordrhein-Westfalen“. Das hatte sich mit einer ähnlichen Formulierung bereits die schwarz-gelbe Vorgängerregierung im Jahr 2017 vorgenommen.

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Nach Ansicht der Bildungsgewerkschaft GEW versagt die Landespolitik bei diesem Thema seit langem, unabhängig vom Farbenspiel der Regierungskoalitionen. „Der letzte Platz ist Ausdruck einer verpassten und mutlosen Hochschulpolitik“, sagte GEW-Landesvorsitzende Ayla Celik dieser Redaktion. Wenn NRW, das im Ländervergleich mit großem Abstand die meisten Studierenden ausbildet, ein guter Wissenschafts- und Studienstandort bleiben will, „muss die Landesregierung endlich handeln und in den Ausbau von Personalkapazitäten investieren“. Das bedeute auch, die Befristungspraxis im wissenschaftlichen Mittelbau zu reformieren: „Die Hochschulen brauchen mehr festangestellte Lehrende – auch unterhalb der Professuren“, fordert die Gewerkschaftschefin.

300 Millionen Euro für Studium und Lehre

Das NRW-Wissenschaftsministerium verweist auf die Verantwortung der Universitäten für eine gute Personalausstattung. 2021 habe die Landesregierung mit dem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ die „Qualitätsverbesserungsmittel“ für die Hochschulen um 50 Millionen Euro auf 300 Millionen aufgestockt. „Diese Aufstockung war daran gebunden, dass die Mittel maßgeblich dazu beitragen, das Betreuungsverhältnis von Lehrenden und Studierenden zu verbessern“, erklärt ein Sprecher von Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU).

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Damit könnten die Hochschulen langfristig planen und mehr Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftliche Mitarbeiter einstellen, ohne zugleich mehr Studierende aufnehmen zu müssen. Zwei Drittel des Geldes sollen demnach für unbefristet beschäftigtes „hauptamtliches Lehrpersonal und hauptamtliches lehrunterstützendes Personal“ verwendet werden. Auch dadurch soll die Betreuungssituation verbessert werden.

Unis sehen „Luft nach oben“

Die Universitäten begrüßen die Anstrengungen des Landes, sehen indes bei der finanziellen Ausstattung für Studium und Lehre trotz der leicht verbesserten Betreuungsrelation noch „Luft nach oben“, sagte Prof. Ulrich Rüdiger, Rektor der Uni Aachen und stellvertretender Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz. Dennoch würden die Hochschulen in NRW die Herausforderungen meistern: Rüdiger verweist auf die Rekordzahl von Absolventinnen und Absolventen im Jahr 2021. Dies zeige, wie gut die Unis die Corona-Pandemie bewältigt hätten.

>>>> Studieren in NRW

Nach Angaben der Landesregierung sind im aktuellen Wintersemester 2022/2023 rund 745.000 Studierende an einer Hochschule in NRW eingeschrieben. Das ist ein leichter Rückgang um 1,5 Prozent Vergleich zum Vorjahr (WS 21/22: 756.000 Studierende). Insgesamt bleiben die Studierendenzahlen damit aber auf dem hohen Niveau der Vorjahre.

Die Zahl der Erstsemester beträgt rund 87.000 Personen und liegt damit ebenfalls leicht unter dem Niveau des vergangenen Wintersemesters (-2,6 Prozent /WS 21/22: 89.500). Die Bundesländer gehen in ihren Vorausberechnungen für die nächsten Jahre von gleichbleibenden bis leicht rückläufigen Studierendenzahlen in Deutschland aus.