Düsseldorf. Viel Aufwand, wenig Anerkennung. Nur deutlich bessere Arbeitsbedingungen könnten den Job attraktiver machen, meinen Gewerkschaften.
An mehreren hundert Schulen in Nordrhein-Westfalen fehlen eine Schulleiterin oder ein Schulleiter. Der Posten der Schulleitung war Mitte Dezember in 415 Fällen - knapp neun Prozent aller öffentlichen Schulen - nicht besetzt, berichtete das Schulministerium auf dpa-Anfrage. Vor allen an den Grundschulen fehlen demnach Führungskräfte - dort gibt es derzeit 270 Vakanzen.
Pandemie-Erfahrung verstärkt die Unlust, eine Schule zu leiten
Auf die Frage, warum das Interesse an der Leitung einer Schule so gering ist, spricht Harald Willert von der Schulleitungsvereinigung NRW von einer „ständigen Zunahme der Arbeit und der Verantwortung“. Der Mangel habe auch etwas damit zu tun, dass Schulleitungen, insbesondere Konrektorinnen und Konrektoren, nicht angemessen vergütet würden. „Wer A13 für alle einführt, aber Konrektoren nur einen Zuschlag von 80 Euro zugesteht, muss sich nicht wundern, wenn sich wenige für solche Stellen interessieren“, so Willert. Die Erfahrungen in der Pandemie hätten einen großen Effekt gehabt: „Viele haben in dieser Zeit darauf verzichtet, eine Leitungsstelle zu übernehmen, viele haben ihre Bewerbung dafür zurückgezogen.“
GEW kritisiert die "Entgrenzung der Arbeitszeit"
Die Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW, Ayla Çelik, sagte dieser Redaktion, viele Schulleiterinnen und Schulleiter seien vor allem damit beschäftigt, „den personellen und sachlichen Mangel zu verwalten“. Die Belastung sei unter Schulleitungen besonders hoch - viel Verantwortung, fehlende Lehrkräfte, wenig Entlastung und eine zunehmende Entgrenzung der Arbeitszeit machen die Position zusehends unattraktiv“. Ohne gute Arbeitsbedingungen werde es immer schwerer werden, Beschäftigte für diese Stellen zu gewinnen. An den Grundschulen werde sich die Situation sogar noch verschärfen, wenn die Landesregierung nicht die Besoldung der Schulleitungen anpasse, so Çelik.
VBE-Umfrage: Schulleitungen immer unzufriedener
Laut einer Umfrage des Verbandes Bildung und Erziehung unter Schulleitungen in Deutschland im Jahr 2022 hat sich die Anzahl der Schulleitungen, die ihre beruflichen Aufgaben nur gelegentlich oder nie zur eigenen Zufriedenheit erfüllen können, innerhalb der letzten vier Jahre auf fast 40 Prozent der Befragten mehr als verdoppelt. Ebenso übten Schulleitungen ihren Job immer weniger gerne aus. Habe 2019 noch ein Anteil von 96 Prozent eher oder sehr gern eine Schule geleitet, seien es heute nur noch 79 Prozent. Die Anzahl derjenigen, die ihren Job eher oder sehr ungern ausüben hingegen habe sich im selben Zeitraum verfünffacht.
Der NRW-Vorsitzende des VBE, Stefan Behlau, sagte, die Mangelsituation sei "keine Überraschung", sondern hänge in einem hohen Maße mit dem allgemeinen Lehrkräftemangel zusammen. "Wenn die Basis fehlt, wird es an der Spitze dünn", sagte er dieser Zeitung.
Viele Maßnahmen, wenig Effekt
Trotz einer Fülle von Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Schulleitungsposten in NRW bleiben viele dieser Stellen vakant. Im vergangenen Jahr waren etwa zehn Prozent der Leitungsstellen offen, im Jahr 2015 blieb ungefähr jede siebte Stelle unbesetzt.
„Große Anstrengungen“ gegen diesen Mangel haben diverse Landesregierungen unternommen. 2016 wurde zum Beispiel beschlossen, für Schulleitungen an Grund- und Hauptschulen die Besoldung um eine Besoldungsstufe zu erhöhen. 2018 hieß es, Insbesondere Frauen sollen Schulleitungsaufgaben auch in Teilzeit übernehmen können
2021 experimentierte NRW mit „Verfahren zur Eignungsfeststellung“ für 500 Nachwuchskräfte, die „in naher Zukunft“ Schulen leiten sollten. Spitzenkräften wurde „mehr Leitungszeit“ eingeräumt. Dort, wo es keine Stellvertreter gab, sollte der dienstälteste Lehrer einspringen, nach einem Jahr auch für mehr Geld.
Anfang 2022 beschloss das Landeskabinett, dass es künftig an allen Haupt- und Realschulen in NRW unabhängig von der Schülerzahl neben einer Schulleiterin oder einem Schulleiter auch eine Konrektorin oder einen Konrektor geben werde. Bislang gibt es ein solches Amt nur an Haupt- und Realschulen mit mehr als 180 Schülerinnen und Schülern.
Die Leitungszeit sei mehrfach erhöht worden, heißt es heute im Ministerium. Schulverwaltungsassistenzen sollten zudem Schulleitung und Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben entlasten - dafür gebe es 825 Stellen landesweit. (mit dpa)