Düsseldorf. Das Land nutzt inzwischen Künstliche Intelligenz, um Hetzern, Mobbern, Trollen auf die Spur zu kommen. Aber es ist noch viel zu tun.
Im Kampf gegen Hasskommentare im Internet verzeichnet NRW erste Erfolge. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Aufspüren von Tätern und die Unterstützung von Medienhäusern beim Melden von Hassrede im Netz führe immer mehr Ermittlungen zum Erfolg, erklärte die Landesanstalt für Medien (LfM) am Montag bei einem Aktionstag „pro Opfer“, zu dem das NRW-Justizministerium eingeladen hatte.
NRW-Justizminister Limbach: "Worte werden zu Waffen"
„Worte werden immer öfter zu Waffen und führen zu schweren Verletzungen. Wenn kein Schuss fällt und kein Blut fließt, bleiben diese Verletzungen oftmals verborgen“, sagte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) vor 200 Gästen im Düsseldorfer Industrieclub.
Aber es gibt offenbar Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Die von der LfM entwickelte Medienaufsichts-Software „Kivi“ hat seit März 2021 rund 22.000 Verdachtsfälle auf Hassrede identifiziert. „Davon wurden etwa 13.000 Fälle geprüft, von diesen waren rund 2000 strafrechtlich relevant“, erklärte Laura Braam, Expertin für Medienaufsicht bei der LfM.
Zahlreiche Medienhäuser in NRW und die Landesanstalt haben außerdem seit 2017 im Rahmen der Initiative „Verfolgen statt nur Löschen“ 1509 Strafanzeigen an die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime in NRW (ZAC) weitergeleitet. Es wurden 844 Ermittlungsverfahren eingeleitet und 33 Personen allein in NRW verurteilt.
"Hassdichte" nahm zuletzt ab
Laut der Forsa-Umfrage zur Wahrnehmung von Hassrede geben seit Jahren unverändert fast 80 Prozent der deutschen Internetnutzer ab 14 Jahren an, schon Hasskommentaren im Netz begegnet zu sein. Allerdings legen Studien der Hamburger Hochschule Macromedia nahe, dass die „Hassdichte“ in den Nutzer-Kommentierungen in Nachrichtenportalen von „Tagesschau“, „heute“ und anderen großen Medien von 2018 bis 2020 nachgelassen habe. „Die strafrechtliche Verfolgung zeigt Folgen“, sagte der Medienwissenschaftler Prof. Thomas Hestermann.
Opfer laufen oftmals vor Wände
Trotz dieser Fortschritte fühlen sich nach wie vor viele Opfer von Hasskommentaren mit ihrem Leid allein gelassen. Laut der Rechtsanwältin Josephine Ballon von der Hilfsorganisation „Hate Aid“ machen Betroffene, die sich zur Wehr setzen, oftmals die Erfahrung, sich auf einen Kampf „David gegen Goliath“ einzulassen. Internet-Anbieter verfügten über mächtige Rechtsabteilungen, es entstünden zum Teil hohe Gerichts- und Anwaltskosten, viele Täter könnten gar nicht erst nicht ermittelt werden, manche Sicherheits- und Justizbehörden nähmen die Opfer nicht ernst, und nicht selten blieben bereits eingeleitete Ermittlungen folgenlos.
„In den Ländern müssten mehr Beratungsstellen für die Opfer eingerichtet und finanziert und die Barrieren für das Anzeigen von Hassrede abgebaut werden“, sagte Ballon. Der Leitende Oberstaatsanwalt Markus Hartmann von der ZAK rief nach einer Verschärfung der Gesetze gegen Hassrede auf europäischer Ebene.