Düsseldorf. Wegen der steigenden Strom- und Gaspreise sprechen Krankenhäuser in NRW von Existenznot. Von der Bundesregierung fordern sie sofortige Hilfen.

Viele Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen sehen sich angesichts der explodierenden Gas- und Strompreise in Existenznot. „Wir erleben einen exogenen Schock“, sagte der Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, Ingo Morell, am Freitag im Landtag. Mit „exogen“ meint er die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, deren Folgen noch nicht absehbar sind.

Die mehr als 300 NRW-Krankenhäuser „gehen personell und finanziell vollkommen ausgepowert in den Corona-Herbst“, sagte Morell. Von der Bundesregierung fordert er deshalb einen sofortigen Inflationsausgleich. Ansonsten drohe der Gesundheitsversorgung der Kollaps.

NRW-Krankenhäuser: Kosten für Erdgas haben sich verdreifacht

Die Kosten für Erdgas hätten sich für Krankenhäuser in diesem Jahr mindestens verdreifacht. Im nächsten Jahr müsse man sogar über acht- bis zehnfache Erdgaspreise sprechen. Fast alle Kliniken in Nordrhein-Westfalen seien auf Erdgas angewiesen.

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Alleine die Katholischen Kliniken Rhein-Ruhr mit Sitz in Herne rechneten mit einer Steigerung der Energiekosten von 5,2 auf 18,2 Millionen Euro. Wie viel Geld genau die Krankenhäuser vom Bund benötigen, vermag Morell nicht genau zu beziffern, „Wir brauchen Hilfe im Milliardenbereich“, sagte er.

„Alarmstufe Rot“ heißt eine gerade gestartete Online-Petition der Deutschen Krankenhausgesellschaft, in der die Kliniken vor möglichen Insolvenzen durch hohe Gas- und Stromkosten warnen und einen sofortigen Inflationsausgleich fordern. Wie die Lage in NRW ist, erklärte am Freitag Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW), dessen Verband rund 340 Kliniken mit fast 300.000 Beschäftigten vertritt.

Was befürchtet die Krankenhausgesellschaft NRW?

In einer Zeit, in der die Erlöse von Krankenhäusern in der Folge der Pandemie zurückgehen und in der große Teile des Personals „psychisch und physisch am Limit“ seien, sehen sich die Häuser mit Energiepreis-Steigerungen konfrontiert, die den bisherigen Finanzierungsrahmen sprengen. Spätestens im Jahr 2023 würden fast alle Kliniken in NRW vor „toxischen“, also hochgiftigen Defiziten stehen. Wir reden dann über acht- bis zehnfache Erdgaspreise“, vermutet Morell. Und dann könnte eine Geschäftsführung zum Beispiel vor der Frage stehen: „Müssen wir die Geburtshilfe schließen, um Energie bezahlen zu können?“

Was bedeutet das konkret?

Allein die Katholischen Kliniken Rhein-Ruhr (St. Elisabeth Gruppe) mit Sitz in Herne müssten von einer Steigerung der Energiekosten von 5,2 auf 18,2 Millionen Euro ausgehen, rechnet Morell vor. Während die Klinik im vergangenen Jahr für ihren Strom noch 20,5 Cent pro Kilowattstunde zahlte, sei der Preis in diesem Jahr schon auf 35 Cent geklettert. Für das kommende Jahr sei eine erneute Erhöhung auf 70 Cent absehbar. Insgesamt steige der Strompreis innerhalb von zwei Jahren damit um mehr als 200 Prozent. Die enormen Preissprünge bei Gas und Strom könne kein Krankenhaus aus eigener Kraft tragen, betonte Morell. Schon jetzt schrieben sechs von zehn NRW-Krankenhäusern rote Zahlen. „Und damit sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange“, so Morell. Insgesamt rechnet die nordrhein-westfälische Krankenhausgesellschaft „mit Milliardenkosten“.

Was fordern die Kliniken?

Die Bundesregierung soll den kompletten Inflationsausgleich für die Krankenhäuser übernehmen. Bisher, so die Kritik, hätten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und diverse SPD-Bundestagsabgeordnete die Warnungen einfach überhört. Berlin habe in den vergangenen Monaten immer wieder versucht, „die Probleme klein zu reden“, meint Morell. Die 16 Bundesländer hätten schon im Juni den Bund aufgefordert, den Krankenhäusern zu helfen. Vom Land NRW erwartet die KGNW erstens, dass es Druck auf Berlin ausübt, dass es zweitens die große Reform der Krankenhauslandschaft NRW schnell zum Erfolg bringt und drittens den Kliniken, wie versprochen, „erhebliche Mittel“ für Investitionen zur Verfügung stellt.

Was sagt die Bundesregierung?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach scheint das Problem erkannt zu haben. Er kündigte am Donnerstag im Bundestag ein schnelles Hilfspaket für die Kliniken wegen der stark steigenden Betriebskosten an. Sie müssten kurzfristig vor Insolvenzen geschützt werden. „In dieser Energie- und Inflationskrise lassen wir unsere Krankenhäuser nicht im Stich und werden sie über den Herbst und über den Winter bringen”, versicherte der Minister.

Wie wirkt sich die Pandemie auf die Kliniken aus?

Laut Morell ist die Corona-Pandemie weiter ein Problem für die NRW-Krankenhäuser. Noch im Juli seien mehr als 4500 Patienten mit einer Coronainfektion stationär behandelt worden. Das sei die 20-fache Anzahl im Vergleich zum selben Monat der beiden Vorjahre. Seit der Herbstwelle 2021 hätten die Kliniken nur jeweils kurze Phasen einer leichten Entspannung erlebt. Deswegen konnten weniger verschobene planbare Operationen nachgeholt werden, als nötig gewesen wäre. Für die Krankenhäuser bedeute diese Entwicklung ein „deutliches Minus“ bei den Fallzahlen und damit auch bei den Erlösen. Es sei schwer, diese Einbußen zu verkraften. Zudem komme es derzeit coronabedingt immer noch zu vielen Personalausfällen. Damit gingen die Kliniken in NRW „personell und finanziell vollkommen ausgepowert in den Corona-Herbst“, sagt Morell. Deshalb fordert er auch vom Bund, die Corona-Hilfen, die den Krankenhäusern noch bis Ostern zur Verfügung gestellt wurden, umgehend wieder auszuzahlen.