Düsseldorf. Seit Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ins Sozialsystem gewechselt sind, werden sie nicht mehr aufs Kontingent der Städte angerechnet.
Die schwarz-grüne Landesregierung und die Kommunen in Nordrhein-Westfalen streiten über die Berücksichtigung von Menschen aus der Ukraine bei der Flüchtlingsverteilung. Der NRW-Städtetag habe bei der zuständigen Ministerin Josefine Paul (Grüne) eine statistische Erfassung angemahnt, „wonach nach geltender Rechtslage in NRW ukrainische Flüchtlinge auch nach dem Rechtskreiswechsel als Zählfälle zu berücksichtigen seien“, heißt es in einem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt.
Der Hintergrund: Seit 1. Juni erhalten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch und nicht mehr die geringeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Sie sind damit „Kunden“ der Jobcenter geworden und bekommen deutlich mehr Unterstützung bei der Wohnungs- und Jobsuche als andere Flüchtlinge. Damit werden sie aber nicht mehr in der Flüchtlingsverteilung des Landes berücksichtigt. Städte, die in den vergangenen Monaten viele Ukrainer versorgt und integriert haben, bekommen jetzt neue Flüchtlinge aus anderen Weltregionen zugewiesen, um ihre Aufnahmequoten zu erfüllen.
Landesregierung bemüht sich um praktikable Lösungen
Die Landesregierung bestätigte im Grundsatz diese Systematik: „Haben die Geflüchteten den sogenannten Rechtskreiswechsel vollzogen und erhalten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II oder XII, können die Personen nicht mehr in die FlüAG-Erfüllungsquote einbezogen werden“, erklärte ein Sprecher von Ministerin Paul auf Anfrage. FlüAG ist das Kürzel für das Flüchtlingsaufnahmegesetz. Die Landesregierung prüfe die Auswirkungen sehr genau und stehe dazu im engen Austausch mit der kommunalen Familie, um eine möglichst praktikable Lösung zu finden, hieß es weiter.
Gerade in einigen Ruhrgebietsstädten ist die Verärgerung groß, zumal die für die Flüchtlingszuweisung zuständigen Bezirksregierungen offenbar auch noch unterschiedlich verfahren. Essens Sozialdezernent Peter Renzel (CDU) habe deutlich gemacht, dass „es ja nicht sein kann, dass die Kommunen, die die erfolgreiche Registrierung von Ukrainerinnen und Ukrainern priorisiert haben, nun aufgrund der verschiedenen Verfahrensweisen der Regierungsbezirke negative Auswirkungen hätten“, erklärte eine Stadtsprecherin.
Werden Integrationsbemühungen der Städte am Ende bestraft?
Auch in einer anderen Revierstadt wird hinter vorgehaltener Hand geschimpft: Die Integrations- und Unterbringungsaufgaben seien ja nicht verschwunden, nur weil die Ukrainer aus der Flüchtlingsverteilstatistik des Landes verschwunden seien. Man werde für den großen humanitären Einsatz bestraft. Nach dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges waren viele Ukrainer nach NRW geflohen. Da sie Visafreiheit genießen, konnten sie sich zunächst dort niederlassen, wo sie wollten. In der Regel begaben sie sich zu hier lebenden Freunden und Verwandten, so dass es zu einer sehr ungleichen Verteilung innerhalb von NRW kam. Die Landesregierung hatte die betroffenen Stadtverwaltungen damals zur Großzügigkeit aufgerufen.