Duisburg. Opferorganisationen beklagen Rassismus bei der Polizei und fordern unabhängige Beschwerdestelle. Tod des 16-Jährigen müsse Konsequenzen haben.

Frankfurt, Köln, Oer-Erkenschwick und am Montag die Todesschüsse in der Dortmunder Nordstadt auf einen 16-jährigen Senegalesen. Die Städtenamen stehen für vier junge Menschen, die innerhalb weniger Tage bei Einsätzen der Polizei gestorben sind. „Es gibt in Deutschland ein Polizeiproblem“, ist der Journalist und Rassismusexperte Mohamed Amjahid überzeugt. Das Vertrauen in die Polizei ist aber nach Ansicht von Migrantenorganisationen nicht erst seit diesen Fällen gestört. Rassismus und Diskriminierung sei für viele Menschen mit Migrationsgeschichte eine wiederkehrende Erfahrung - auch durch Polizeibeamte.

„#Polizeiproblem? Die Polizei in NRW zwischen Rassismus und Reformen“ lautete der Titel einer Podiumsdebatte, zu der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt eingeladen hatten. Ganz bewusst nahmen die Teilnehmer dabei die Perspektive der Betroffenen ein. Der Fall des 16-Jährigen in Dortmund, der bei einem Polizeieinsatz von fünf Kugeln aus einer Maschinenpistole getroffen wurde, gab dieser schon zuvor geplanten Debatte eine unerwartete Aktualität. „Es handelte sich um eine junge, schwarze Person, bewaffnet und psychisch erkrankt. Dies ist kein seltenes Muster“, sagte Amjahid. Viele Polizisten seien mit einer solchen Lage überfordert.

Forderung nach einer Beschwerdestelle

Trotz der Aufarbeitung der rechtsextremistischen und rassistischen Chats durch die Landesregierung seit 2020 sei bislang zu wenig passiert, kritisierten die Beratungsstellen. Die Perspektive von Personen, die Diskriminierung durch Polizeibeamte erfahren hätten, werde nicht genügend berücksichtigt. Die Behörde müsse intensiver gegen rassistische Vorfälle und Strukturen innerhalb der Polizei vorgehen. „Warum sollten wir der Polizei vertrauen?“, fragte Mehmet Daimagüler, Antiziganismusbeauftragter der Bundesregierung. Beinahe zornig fügte er hinzu: „Wer Migrant ist und wie ein Migrant aussieht, kann der Polizei nicht mehr vertrauen.“

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Eine wiederkehrende Forderung war der Aufbau einer unabhängigen Beschwerdestelle bei der Polizei, an die sich Betroffene wenden können. „Selbst wir haben Schwierigkeiten, bei der Polizei einen zuständigen Ansprechpartner zu finden, um eine Beschwerde vorzubringen“, sagte Gülgün Teyhani von der Duisburger Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit.

„Wir wollen Konsequenzen“

Der Fall des 16-Jährigen mache viele Menschen in Dortmund wütend, meinte Ali Sirin vom Dortmunder „Bündnis Tag der Solidarität“ „Es gibt Widersprüchlichkeiten in dem Fall, die Polizei sagt nicht die Wahrheit. Wir befürchten, dass der Fall wieder bagatellisiert wird.“ Und er warf die Frage auf: „Wie wäre die Polizei vorgegangen, wenn der Jugendliche weiß gewesen wäre?“ Die Zeit für Entschuldigungen sei vorbei „wir wollen Konsequenzen“, forderte er.

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„Wir brauchen andere Strukturen in der Ausbildung von Beamten und in der Behörde. Es hat etwas mit Macht zu tun“, erklärte Nanina Sturm von der Hochschule für Polizei und Verwaltung in Dortmund. Gamze Kubasik, die Tochter des im April 2006 vom NSU in Dortmund ermordeten Kioskbesitzers Mehmet Kubasik, zieht ein bitteres Fazit. „Es hat sich zu wenig verändert seither. Sonst wäre der 16-Jährige nicht erschossen worden.“