Düsseldorf. “Sparen, wo es nur geht“: Wegen der explodierenden Energiepreise bereiten sich die Unis auf Szenarien bis hin zur Teilschließung vor.

Die Gas-Krise mit explodierenden Preisen stellt nicht nur Industrie und private Haushalte vor große Herausforderungen. Auch die Universitäten und Fachhochschulen in NRW müssen die Frage klären, ob und wie Forschung und Lehre unter diesen Umständen im Wintersemester im gewohnten Umfang angeboten werden können. Viele große Unis fordern bereits jetzt ihre Mitarbeitenden und Studierenden auf, Energie zu sparen, „wo es nur geht“. Denn der Energiehunger der Hochschulen ist gewaltig, zum Teil haben sie sogar selbst die Rolle von Energieversorgern.

"Mit großer Sorge schauen wir auf die kommenden Monate"

Die Ruhr-Universität Bochum (RUB), die Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU) und die Technische Universität (TU) Dortmund sind wie viele andere Hochschulen alarmiert und breiten sich auf die schlimmsten Szenarien vor. „Mit großer Sorge schaut die Hochschulleitung auf die kommenden Monate“, heißt es in einem aktuellen Beitrag der Ruhr-Uni für das eigene Internetportal. Die RUB feilt wegen der unsicheren Prognosen an einer mehrstufigen „Energiestrategie“, die vom Abschalten von Kühlungen bis hin zu „Teilschließungen“ reicht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten Tipps zum Energiesparen im Uni-Alltag. die TU Dortmund gibt ihren Angestellten in Rundmails ähnliche Ratschläge.

Die WWU Münster fordert in diesen Tagen sämtliche Uni-Mitglieder schriftlich auf, sorgsam darauf zu achten, dass der Energieverbrauch möglichst gesenkt wird. „Wir wollen nichts heraufbeschwören, aber wir gehen alle möglichen Szenarien durch“, sagte Uni-Sprecher Norbert Robers auf Nachfrage.

Ruhr-Uni-Rektor Paul: „Jedes Grad zählt.“

Ruhr-Uni-Rektor Prof. Martin Paul bittet die Verantwortlichen an seiner Hochschule, mit dem Energiesparen nicht bis zum Herbst zu warten. Man könne schon jetzt im Sommer bei den Klimaanlagen beginnen „Wenn wir Kälte jetzt sparsam und nur dort einsetzen, wo es unbedingt erforderlich ist, erreichen wir bereits viel“, so Paul. „Jedes Grad zählt.“

Nach mehreren Semestern im Pandemiemodus ist die bloße Vorstellung, erneut ganz oder teilweise von der Präsenzlehre abrücken zu müssen, quälend für die Hochschulen. Und so heißt es in Bochum, Duisburg-Essen, Dortmund, Münster und in vielen weiteren Universitäten ab sofort: Spart Energie, wo immer es möglich ist! Denn eine Vervielfachung des Gaspreises und steigende Stromkosten würden diese energieintensiven Großeinrichtungen mit voller Härte treffen.

Energieverbrauch einer kleinen Stadt

Die Ruhr-Uni Bochum hatte zum Beispiel im vergangenen Jahr einen Wärmeverbrauch von rund 116.000 Megawattstunden. Das entspricht ungefähr dem Verbrauch von 30.000 Eigenheimen. Der Stromverbrauch erreichte in Bochum zuletzt rund 84.300 Megawattstunden.

Die Ruhr-Uni setzt angesichts explodierender Energiepreise auf eine „Gesamtstrategie, die auf drei Säulen fußt“, erklärt Uni-Rektor Prof. Martin Paul. Stufe eins ist das Energiesparen, zum Beispiel durch das Runterdrehen von Heizungen oder das Abschalten von Klimaanlagen. Stufe zwei ist, künftig mehr auf erneuerbare Energien zu setzen, zum Beispiel Energiegewinnung über Wärmepumpen, Schließlich muss die Frage geklärt werden, was geschieht, falls im kommenden Herbst und Winter zu wenig Energie zur Verfügung steht, um den Normalbetrieb aufrecht zu erhalten. Dann würden Teile der Uni vorübergehend geschlossen werden müssen, aber welche? Die Szenarien reichen von zehn Prozent weniger Energie bis hin zu Teilschließungen oder einem „völligen Blackout“.

Manche Unis erzeugen selbst Wärme

Die Ruhr-Uni Bochum ist übrigens nicht nur Großabnehmerin, sondern auch Selbstversorgerin mit Fernwärme und Strom. Seit vier Jahren wird der Campus und sogar der angrenzende Stadtteil Querenburg mit Fernwärme der von der Universität und der Stadt Bochum gemeinsam getragenen Gesellschaft Unique Wärme versorgt. Diese Wärme wird allerdings aus teurem Erdgas erzeugt.

Die Universität muss sich nicht nur Gedanken über Verfügbarkeit und Kosten von Fernwärme machen, sondern auch über teure Kälte für Klimaanlagen. In Bochum kostet die zentrale Kühlung durch Strom etwa eine Million Euro im Jahr -- 6,5 Prozent der Gesamtstromkosten. Dazu kommen die Kosten von 350 dezentralen Klimaanlagen. Das Problem ist, wie an den anderen Unis, dass man nicht einfach überall die Kühlung abschwächen kann. Viele Laboratorien müssen permanent gekühlt werden, manche Experimente funktionieren nur bei sieben Grad Raumtemperatur.

Im Notfall auf Heizöl zurückgreifen

„Jedes Grad zählt“, lässt Rektor Prof. Martin Paul daher mitteilen. „Wenn wir Kälte jetzt sparsam und nur dort einsetzen, wo es unbedingt erforderlich ist, erreichen wir bereits viel.“ Wenn möglich sollten Klimaanlagen erst ab 26 Grad Raumtemperatur eingeschaltet und schon eine Weile vor dem Verlassen des Arbeitsplatzes wieder abgeschaltet werden.

Die Universität Münster erzeugt für sich, für das Uniklinikum und das Studierendenwerk Wärme in einem eigenen Heizkraftwerk. Das geschieht vor allem mit eingekauftem Gas. Um nicht vollends in die Gas-Falle zu geraten, kauft die Universität 1,5 Millionen Liter Heizöl, mit dem das Kraftwerk im Notfall betrieben werden kann. Die Tanks sind voll, aber der Brennstoff würde – wenn der nächste Winter kalt werden sollte – nur für etwa einen Monat reichen. Im vergangenen Jahr zahlte die Universität Münster netto rund elf Millionen Euro für Energie, erklärte ein Sprecher. Würde die Uni nicht auch selbst erzeugte Energie verkaufen, wäre die Rechnung noch weit höher.

Studierende in der Krise

Nicht nur die Verwaltungen der Hochschulen sind im Stress. Große Härten infolge der Gaskrise und allgemein steigender Lebenshaltungskosten sieht das Deutsche Studentenwerk (DSW) auch auf die Studierenden zukommen. DSW-Generalsekretär Matthias Anbuhl warnt: „Die grassierende Inflation trifft die Studierenden, aber auch die Studierendenwerke, hart. Die Preissteigerungen gerade bei Energie und Lebensmitteln drohen die Studierenden finanziell enorm zu belasten. Die aktuelle Gas-Krise wird diesen Trend noch massiv verschärfen.“

Höhere Semesterbeiträge, höhere Mensapreise, höhere Mieten in Studierendenwohnheimen – nichts sei mehr ausgeschlossen, sollte diese Entwicklung ungebremst weitergehen, schreibt Anbuhl in einer Mitteilung. Bund und Länder müssten korrigierend eingreifen. Das DSW ruft nach stärkeren staatlichen Hilfen für die Studierendenwerke und nach einem einen Inflationsaufschlag beim Bafög.

Studierendenwerke rufen nach sozialer Unterstützung für Studierende

„Die Studierenden haben sich in den vergangenen vier Pandemie-Semestern absolut solidarisch gezeigt und auf sehr viel verzichtet. Ihre finanzielle Belastung muss politisch abgepuffert werden“, so Anbuhl. In Nordrhein-Westfalen gibt es zwölf Studierendenwerke. Sie betreiben Wohnheime und Mensen, kümmern sich um die Ausbildungsförderung Bafög und unterstützen Studierende, die in große finanzielle Not geraten.