Berlin/Düsseldorf. Gas-Notlage: Robert Habeck (Grüne) setzt auf Kohlekraftwerke. Sogar Klimaschützer äußern Verständnis für die Pläne des Bundes.

Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), angesichts zurückgehender russischer Gaslieferungen verstärkt Kohle statt Gas zur Stromerzeugung zu nutzen, stoßen sogar unter Förderern der Erneuerbaren Energien auf Verständnis.

LEE-Chef Priggen: "Jetzt rächt sich das Zögern beim Ausbau der Erneuerbaren"

„Ich sehe keine andere Möglichkeit bei einem Totalausfall der Gasimporte aus Russland als in dieser Notsituation Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen“, sagte Reiner Priggen, Vorsitzender des NRW-Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE), dieser Redaktion. Es räche sich nun, dass die frühere Bundesregierung wie auch die alte NRW Landesregierung beim Ausbau der Erneuerbaren Energien „so viel Zeit vertrödelt hat“, so Priggen.

„Jetzt müssen wir diese Notsituation überbrücken und gleichzeitig alle Erneuerbaren Energien so schnell es geht ausbauen. Es ist nicht mehr die Zeit für Hampeleien mit 1000 Meter Abständen zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung“, sagte der LEE-Vorsitzende weiter.

Gazprom schränkt Gas-Lieferungen durch Nord Stream 1 stark ein

Die Bundesregierung will mit einem Maßnahmenpaket darauf reagieren, dass der russische Staatskonzern Gazprom den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 deutlich verringert hat. Gazprom nennt technische Probleme als Ursache. Robert Habeck stufte die Maßnahme als politisch motiviert ein. Berlin will Milliardenmittel bereitstellen, um den Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und die Industrie zu senken. Habeck warnte: „Der Gasverbrauch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng.“

Unter anderem sollen „Reserve“-Kraftwerke, die nicht mit Gas Strom erzeugen, für eine Notsituation ertüchtigt werden, um kurzfristig an den Markt zurückkehren zu können. „Das bedeutet, so ehrlich muss man sein, dann für eine Übergangszeit mehr Kohlekraftwerke. Das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrauch zu senken“, sagte Habeck. Die Gasspeicher müssten zum Winter hin voll sein. Das habe oberste Priorität.

NRW-Landesregierung verfolgt ähnliche Pläne mit den Kohlekraftwerken

Die NRW-Regierung hatte schon Anfang Mai in einem „energiepolitischen Aktionsplan“ angeregt, anstehende Stilllegungen von Kohlekraftwerken „temporär auszusetzen“ und die Reaktivierung stillgelegter Werke zu prüfen. Bisher ist geplant, noch in diesem Jahr Anlagen in Essen, Gelsenkirchen und Marl stillzulegen.

Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) erneuerte seine Forderung, Kraftwerkskapazitäten aus den Reserven schnell wieder ans Netz zu bringen.“ Ein weiteres Abwarten bis zu einer womöglich „tatsächlichen Gasmangellage“ ist aus Sicht des Verbands nicht vertretbar. Hauptgeschäftsführer Christian Seyfert: „Die Abschaltung eines jeden Kohle- oder Kernkraftwerks führt unweigerlich zu einem steigenden Erdgasverbrauch. Um auf den Winter vorbereitet zu sein, müssen aber alle Einsparpotentiale genutzt werden.“ (mit dpa)