Düsseldorf. Trotz voller Auftragsbücher und stabilem Arbeitsmarkt: Inflation, gestörte Lieferketten und Kauf-Zurückhaltung drücken die Stimmung.

Die NRW-Wirtschaft richtet sich unter dem Eindruck steigender Preise, Material- und Rohstoff-Knappheit, Unsicherheiten bei der Energieversorgung und weltweit gestörter Lieferketten auf turbulente Monate ein. „Viele Unternehmen, vor allem aus der Industrie, sehen kritisch in die Zukunft“, warnte Ralf Stoffels, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) NRW, am Dienstag anlässlich der jüngsten Konjunkturprognose des RWI-Leibniz Instituts für Wirtschaftsforschung.

Entspannung der Lage ab Herbst?

“Die Verbraucher haben zwar hohe Ersparnisse während der Pandemie angehäuft”, erklärte RWI-Konjunkturexperte Torsten Schmidt. Er wies aber auf die große Zurückhaltung der durch Inflation, insbesondere durch teure Energie verunsicherten Bürger beim privaten Konsum hin: “Das wird sich erst ändern, wenn der Preissauftrieb etwas nachlässt, und damit ist laut unserer Prognose ab Herbst zu rechnen.”

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Neben Kaufzurückhaltung, Inflation und Lieferproblemen leiden Handel und Industrie zunehmend unter einem Mangel an Fachkräften. Ohne Experten-Nachwuchs sei aber der so wichtige digitale und klimaneutrale Umbau der Wirtschaft gar nicht zu leisten, so NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP). IHK-Präsident Stoffels erwartet daher von einer neuen Landesregierung nicht nur, dass sie sich um die Energie-Sicherheit und hindernisarmen Handel kümmert, sondern auch um die Stärkung der Dualen Berufsausbildung im Vergleich zum Studium.

Der Arbeitsmarkt hat sich wieder erholt

Wirtschaftsminister Pinkwart bleibt trotz der aktuell schwierigen und durch Krisen bestimmten Lage optimistisch. In diesem Jahr könne die Wirtschaft in NRW laut RWI-Prognose mit einem Wachstum von zwei Prozent und mit 2,5 Prozent im kommenden Jahr rechnen. Die Konjunktur fasse also wieder Tritt, der Arbeitsmarkt habe sich inzwischen nahezu vollständig von der Corona-Krise erholt und die Auftragsbücher vieler Firmen seien voll, so der Minister.

Dennoch trübt angesichts der aktuellen Krisen die Furcht vor einem möglichen Konjunktur-Abschwung die Stimmung in vielen Unternehmen in NRW, gibt Ralf Stoffels zu Bedenken. Die größten Risiken seien die steigenden Energie- und Rohstoff-Preise. Zudem hätten sich die Containerpreise zuletzt vervielfacht. Die weltweiten Logistik-Ketten seien durch den restriktiven Kampf Chinas gegen das Coronavirus und den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine nachhaltig gestört.  Die Logistik sehe sich derzeit ähnlich stark unter Druck wie in der Hochphase der Corona-Pandemie, so Andreas Pinkwart.

Weniger Angst vor einem Gas-Lieferstopp durch Russland

Torsten Schmidt vom RWI sieht aber auch Gründe für vorsichtigen Optimismus: Jeder Tag, an dem noch Gas in die Speicher fließe, verringere die Risiken, die ein kompletter Gas-Lieferstopp durch Russland auslösen würde. “Wir würden bei einem Gas-Lieferstopp wohl deutlich besser durch den Winter kommen, als wir das noch vor im Frühjahr gesehen haben.”