Essen. Auswertung ergab: Seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine registrierten Behörden bundesweit rund 1700 Straftaten. NRW meldet die meisten Fälle.
Zerstörte Schaufenster, zerstochene Autoreifen, Beleidigungen, Schmierereien an Gebäuden - viele russischstämmige Menschen in Deutschland und NRW erleben seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine Anfeindungen und Angriffe. Dies bekam ein osteuropäischer Supermarkt in Oberhausen im März gleich zweimal zu spüren. Erst wurden die Scheiben mit „Putin Mörder“ beschmiert, später sogar eingeschlagen. Nach Recherchen des „Mediendienstes Integration“ bei den Landeskriminalämtern und dem Bundeskriminalamt war dies kein Einzelfall.
Seit Beginn des russischen Angriffs gab es nach Angaben der Landeskriminalämter bundesweit rund 1700 Straftaten im Zusammenhang mit dem Krieg. Nordrhein-Westfalen führt demnach mit 494 erfassten Straftaten die Liste der Bundesländer an. Zum Vergleich: In Niedersachsen waren es 286 Fälle, in Hessen 130 und in Baden-Württemberg 83. Meist ging es dabei um Sachbeschädigungen und Beleidigungen.
Die Straftaten richteten sich nach Angaben der Behörden gegen Personen oder Gewerbe, darunter auch gegen Personen aus der Ukraine oder Belarus. Das Bundeskriminalamt spricht von rund 200 Straftaten pro Woche mit abnehmender Tendenz.
Ermittlungen wegen des „Z-Symbols“
Die Behörden registrierten zudem auch Gewaltdelikte. Von den Bundesländern, die diese Straftaten erfassten, meldete NRW 55 Gewaltdelikte. In Niedersachsen waren es 43, in Schleswig-Holstein 27, berichtet der „Mediendienst“.
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Bundesweit wurden mittlerweile rund 170 Ermittlungsverfahren wegen der Verwendung des „Z-Symbols“ eingeleitet. Der Buchstabe steht für „za pobedu“ („Für den Sieg“). Laut NRW-Justizministerium könne die Verwendung des Symbols als „Billigung einer Straftat“ gewertet werden, wenn es im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg nachzuweisen sei. Dann drohen laut Paragraf 140 im Strafgesetzbuch bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe. In NRW seien dem Ministerium 37 Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen Paragraf 140 bekannt, in 22 Vorgängen gehe es um das „Z-Symbol“.
Russische Botschaft verbreite Falschinformationen
Der „Mediendienst“ – ein Projekt des unabhängigen „Rats für Migration“, einem bundesweiten Zusammenschluss von Migrationsforscherinnen und -forschern – warnt vor Falschinformationen über Anfeindungen auf russischstämmige Menschen, die vor allem in sozialen Medien verbreitet würden. „In zahlreichen Fällen haben sich diese Meldungen als falsch erwiesen.“
Das Bundesamt Verfassungsschutz hat daher in einem „Sicherheitshinweis für Politik und Verwaltung“ vom 11. April vor gezielten Desinformationskampagnen gewarnt. Diese würden das Ausmaß der Angriffe auf russischstämmige Personen meist übertrieben darstellen. Ziel sei es, die „ohnehin emotional aufgeladene gesellschaftliche Situation, insbesondere innerhalb der russischen und ukrainischen Communities in Deutschland, zusätzlich anzuheizen“, so die Verfassungsschützer.
Insbesondere die russische Botschaft habe viele unbestätigte Fälle von Übergriffen oder Diskriminierungen gegen russischstämmige Menschen gesammelt und verbreitet. Auch die thematischen Beiträge in den offiziellen Social-Media-Kanälen der Botschaft seien in jüngster Zeit stark auf eine vermeintlich zunehmende „Russophobie“ in Deutschland ausgerichtet, heißt es in dem Sicherheitshinweis.
Tausende Kundgebungen für den Frieden
Seit Kriegsbeginn fanden in Deutschland Tausende Kundgebungen und Demonstrationen statt. Mit knapp 1000 Veranstaltungen bis Mitte April gab es in Nordrhein-Westfalen die meiste Aktionen. In Baden-Württemberg waren es mehr als 700, in Bayern 570, ergab eine Abfrage des „Mediendienstes“. Die überwiegende Mehrzahl waren Friedens- und Solidaritätskundgebungen für die Ukraine.
Vor allem mit Autokorsos wurde in einigen Dutzend Fällen für die russische Seite demonstriert. 16 solcher Aktionen gab es in Sachsen-Anhalt, acht in Baden-Württemberg, in NRW zählten die Behörden bislang sechs Autokorsos.