Düsseldorf. DGB wertet die Kanzler-Visite in Düsseldorf als „gutes Signal“. Zentrale Kundgebung in Dortmund. Ruf nach Vermögensabgabe für Reiche

Erstmals seit zwei Jahren können am Sonntag die 1. Mai-Feiern in NRW wieder weitgehend ohne Corona-bedingte Einschränkungen veranstaltet werden. Zwei Wochen vor der Landtagswahl und unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine dürften die Kundgebungen ein größeres Publikum anziehen.

Für Anja Weber, Landeschefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), ist es ein „gutes Signal“, dass Bundeskanzler Olaf Scholz zur Maikundgebung in Düsseldorf kommen wird. Daran lasse sich Wertschätzung des Kanzlers für die Gewerkschaften ablesen.

Angela Merkel hielt nicht viel von 1. Mai-Feiern

„Es ist seit vielen Jahren und fast Jahrzehnten wieder so, dass ein Bundeskanzler an der 1. Mai-Kundgebung teilnimmt“, so Weber. Angela Merkel sei hingegen nie Gast auf einer solchen Veranstaltung gewesen.

Die DGB-Landesvorsitzende würde gern von Scholz erklärende Worte hören, wie die „Ampel“ die vielen zusätzlichen Ausgaben für Verteidigung, für den klimaneutralen Umbau der Industrie, für die Abfederung von steigenden Preisen und für die Bewältigung der Pandemiefolgen finanzieren möchte. Weber selbst bringt eine „Vermögensabgabe“ ins Gespräch. Viele Reiche wären auch dazu bereit, etwas von ihren Vermögen dafür abzugeben, vermutet Weber.

Warnung vor einem Gas-Embargo

Die Gewerkschafterin warnte davor, von jetzt auf gleich auf Gaslieferungen aus Russland zu verzichten. „Die Diskussion um ein Gas-Embargo ist brandgefährlich“, sagte Weber am Dienstag.

Zwar müsse Deutschland so schnell wie möglich raus aus der Abhängigkeit von Energie aus Russland. „Ich sage aber allen, die von Gas-Embargo sprechen: Es geht nicht darum, den dicken Pulli anzuziehen und nicht darum, auf ein bisschen Wohlstand zu verzichten. Industrie kann man nicht einfach runter- und wieder hochfahren“, warnte Weber. Ein Embargo hätte wegen steigender Marktpreise zudem auch für ärmere Länder „katastrophale Auswirkungen“.

NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt G. Kirchhoff hinterfragt zudem die Regeln für den Fall einer Gasknappheit. Dass bei einem Versorgungsengpass zuerst Industriebetrieben der Hahn zugedreht werden soll, gefährde Arbeitsplätze, sagte Kirchhoff vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf. Kirchhoff plädiert dafür, private Haushalte und Industrie gleich zu behandeln, sollte es eine Lieferunterbrechung beim Erdgas aus Russland geben.

56 Mai-Veranstaltungen mit viel politischer Prominenz

56 Mai-Veranstaltungen plant der DGB in diesem Jahr in NRW, die zentrale Maifeier ist die im Dortmunder Westfalenpark, zu der neben NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seinem SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty auch die Spitzenkandidaten von Grünen, FDP und Linkspartei erwartet werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) spricht in Gelsenkirchen, NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in Mülheim.

Der DGB fordert von der neuen Landesregierung, alles zu unternehmen, um die „soziale Spaltung“ in NRW zu überwinden. „Jedes fünfte Kind lebt hierzulande in Armut. Das ist ein unhaltbarer Zustand“, sagte Weber. Ein Grund für die tiefe Spaltung seien zu geringe Löhne. 23 Prozent der Beschäftigten arbeiteten zu einem Niedriglohn, also für wenig mehr als zwölf Euro in der Stunde.

Der Umbau des Industrielandes NRW müsse "Chefsache" sein

Der Kohleausstieg und die Energiewende müssten sozial, ökologisch und demokratisch gestaltet werden. Für all jene, die im Zuge dieser Veränderungen ihre Arbeitsplätze verlieren, müssten neue Industriearbeitsplätze entstehen. Der DGB schlägt dazu eine Transformationsagentur auf Landesebene und einen Transformationsfonds zur Finanzierung vor. „Der Umbau des Industrielandes NRW müsse „Chefsache“ sein, forderte Weber.

Die Gewerkschaften dringen auch darauf, dass eine künftige Landesregierung beherzt die Entschuldung der Städte angeht. Bei diesem Thema habe die jetzige NRW-Regierung „versprochen, aber nicht geliefert“.