Düsseldorf. Ina Scharrenbach (CDU) wirft dem Bund vor, die Entwicklung des Reviers zu bremsen. Wohnen und Arbeiten gehörten heute zusammen.

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) fordert eine Neuauflage des Nach-Wende-Programms „Stadtumbau Ost“, diesmal aber mit Blickrichtung Westen. „Der Osten hatten damals große Probleme mit seinen Plattenbauten. Heute brauchen wir ein Programm ,Stadtumbau West‘“, sagte sie dieser Redaktion. Das Ruhrgebiet könne davon enorm profitieren.

Ruhrgebiet der zwei Geschwindigkeiten

Die Ministerin begründet ihren Vorstoß damit, dass sich das Ruhrgebiet mit zwei Geschwindigkeiten entwickele: Laut dem Städte-Ranking des Institutes der deutschen Wirtschaft von 2021 liegt Dortmund bei der Dynamik, also bei der Entwicklung in den letzten fünf Jahren, unter den Top fünf in Deutschland. Bochum hat sich von 37 auf 21 verbessert, Essen von 50 auf 38. Es gibt aber leider auch Städte, die im Dynamik-Ranking unten bleiben, zum Beispiel Gelsenkirchen (Platz 61) und Hagen (67).

Bochum prosperiere also, so Scharrenbach. „Die Frage ist aber, ob die vielen neuen Beschäftigten auch in Bochum wohnen können. In der Nachbarschaft, in Gelsenkirchen, gibt es heute eher zu viele Wohnungen mit einem hohen Anteil an Schlichtwohnungen, der den heutigen Anforderungen nicht mehr Rechnung trägt. Da liegen sich also in kurzer Distanz eine prosperierende Stadt mit Menschen, die Wohnungen suchen, und eine Stadt mit zu viel Wohnraum und großen Herausforderungen gegenüber“, so die Politikerin.

Gelsenkirchen und Hagen zum Teil neu bauen

Die Konsequenz müsste ein „Stadtumbau“, zum Beispiel in Städten wie Gelsenkirchen und Hagen sein, „mit dem Rückbau und der Aufwertung von Wohnraum“. Um diese Städte teilweise neu zu bauen, benötige das Ruhrgebiet aber Erleichterungen bei der Vergabe von Bundesmitteln, also ein Programm „Stadtumbau West“.

Das Bundesrecht bremse zudem die Entwicklungsmöglichkeiten des Ruhrgebietes. Ziel müsse sein, dass dort, wo Industrie war, auch wieder Industrie hinkomme. „Auf der Opel-Fläche Mark 51/7 in Bochum kann man gut sehen, warum das heutige Bundesrecht für die Entwicklung der Städte nicht mehr passt. In Bochum entstehen hochwertige High-Tech-Arbeitsplätze, aber die Frage, wo die Beschäftigten wohnen, wird nicht gleich mit beantwortet. Denn auf Mark 51/7 ist das Wohnen nicht erlaubt. Die Folge: mehr Verkehr durch lange Wege zur Arbeit und klimaschädliche Emissionen“, so Scharrenbach.

Ist die Trennung zwischen Wohnen und Arbeiten noch zeitgemäß?

Das Jahrzehnte alte Bundesrecht trennt noch immer Wohnen und Arbeiten, obwohl man heute im Vergleich zu früher „sehr saubere Industrien“ habe. „Das Gesetz will Menschen also vor etwas schützen, von dem keine Gefahr mehr ausgeht. Wenn ich saubere Industrien habe, dann muss man Wohnen und Arbeiten wieder zusammenführen können. Diese gesetzlichen Ketten müssen abgelegt werden, damit der Riese Ruhregebiet seine volle Kraft entfalten kann.“

Das Ruhrgebiet benötige außerdem jene Freiheit, die die Landesentwicklungsplanung heute schon dem Rheinischen Revier einräume: Eine  Sonderstellung bei der Ausweisung zusätzlicher Industrie- und Gewerbegebiete. "Diese Freiheit brauchen wir auch im Ruhrgebiet, denn auch dort stehen als Folge des Kohleausstiegs große Flächen zur Verfügung und müssen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist eine Aufgabe für die künftige Landesregierung", sagte Scharrenbach dieser Zeitung. Die Flächen dafür seien vorhanden. Ein gutes Beispiel für Flächenentwicklung sei das 1700 Hektar große Gebiet „Freiheit Emscher“, eine Kooperation zwischen Essen und Bottrop.