Essen. Wissenschaft und Bildung sind demokratiefördernd, erklärt Barabara Albert. Die neue Rektorin der Uni Duisburg-Essen übernimmt im April das Amt.

Barbara Albert übernimmt in schwierigen Zeiten die Führung der Universität Duisburg-Essen (UDE). Die Corona-Pandemie, die das Uni-Leben zwei Jahre lang weitgehend lähmte, ist noch nicht überwunden. Zudem beschäftigen die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs die international vernetzte Hochschule. Bestehende wissenschaftliche Kanäle will die neue Rektorin auch zu russischen Partnern aber nicht vollständig abreißen lassen. Und ukrainische wie auch russische Studierende benötigen jetzt Hilfe und Unterstützung.

Am 1. April wird die 55-jährige Chemikerin das Amt von Ulrich Radtke übernehmen, der die Geschicke der Ruhrgebiets-Uni 14 Jahre lang lenkte. Christopher Onkelbach, Jonas Schlömer und Martin Spletter sprachen vor ihrem Amtsantritt mit Barbara Albert.

Was bedeutet der Ukraine-Krieg für den internationalen Austausch der Uni Duisburg-Essen?

Barbara Albert: Wir sind alle entsetzt über den Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Wir pflegen vielfältige Kooperationen mit russischen und ukrainischen Wissenschaftlern. Es werden aber vorerst keinerlei wissenschaftliche Forschungsprojekte an russischen Institutionen weitergeführt.

Wird die UDE sämtliche Kontakte mit Russland abbrechen?

Unser UA-Ruhr-Verbindungsbüro für Osteuropa und Zentralasien in Moskau bleibt für Beratungen vor Ort offen, aber wir haben die Zusammenarbeit mit staatlichen russischen Institutionen natürlich ausgesetzt. Mir liegt aber daran, die Gesprächskanäle offen zu erhalten, denn Wissenschaft und Bildung sind demokratiefördernd. Auch viele russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen den Krieg kritisch und sind besorgt. Einige haben großen Mut bewiesen und sich offen gegen den Angriff ausgesprochen. Wenn der Krieg - hoffentlich bald - vorbei ist, möchten wir dabei helfen, dass Wissenschaftssystem der Ukraine wieder aufzubauen, etwa durch strategische Partnerschaften mit ukrainischen Hochschulen.

Wie kann die UDE ukrainische Studierende unterstützen?

An der UDE sind etwa 100 ukrainische und mehr als 180 russische Studierende eingeschrieben. Unsere Beratungsstellen und das akademische Auslandsamt kümmern sich um ihre Belange. Wir wollen aber auch geflüchteten Studierenden und Forschenden helfen, etwa mit Sprachkursen oder Stipendien. Wir werden versuchen, ganz pragmatisch zu helfen. Die Hochschulen werden dafür aber mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern benötigen, so wie es die Hochschulrektorenkonferenz gefordert hat.

Barabara Albert vor einem der bunten Uni-Türme in Essen.
Barabara Albert vor einem der bunten Uni-Türme in Essen. © FFS | Lars Heidrich

Sie sind kein „Kind“ des Ruhrgebiets, mit welchen Erwartungen kommen Sie ins Revier?

Ich kenne Essen ein wenig durch meine Tätigkeit für Evonik. Ich habe jetzt eine Wohnung am Duisburger Innenhafen gemietet. Als Rektorin dieser Uni habe ich die Chance, den Campus an mehreren Standorten zu entwickeln, das gibt mir spannende Möglichkeiten, die Weichen zu stellen.

Sie hatten als Vizepräsidentin der TU Darmstadt einen verantwortungsvollen Posten. Was reizte Sie daran, eine neue Herausforderung anzunehmen?

Ich finde das Profil der Universität und auch die Region sehr spannend. Die Uni hat sich in den vergangenen 20 Jahren enorm entwickelt. Sie ist stark in der Forschung, und mit den Themen Bildungsgerechtigkeit und Diversität hat sie seit Jahren eine Vorreiterrolle, die anderen inzwischen als Vorbild dient. Das will ich stärken und ausbauen.

Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Wichtig ist mir das Thema Nachhaltigkeit: Wir haben viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die durch ihre Forschung Innovationen für ein nachhaltigeres Leben und Wirtschaften liefern können. Gemeinsam wollen wie an Lösungen für die Welt von Morgen arbeiten, etwa im Bereich der Rohstoffe, der Energieversorgung, in der Brennstoffzellen- und Wasserstoffforschung. Und im Bereich der Wasserforschung ist die Uni unter den bundesweit führenden. Das wollen wir strategisch verstärken. Auch bei der Bildungsgerechtigkeit wollen wir den eingeschlagenen Weg weiter gehen. Das ist seit langem eine wichtige Aktivität der UDE. Sehr viele unserer Studierenden sind Bildungsaufsteigende, die Chancen und Potenziale wollen wir für die Region nutzen.

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Sie sagten, das Ruhrgebiet sei spannend. Aus welchem Grund?

Ja, die Region ist transformationserprobt und -bereit. Das Ruhrgebiet nimmt Wandel an und münzt ihn in etwas Neues um. Ich habe hier viele Menschen kennengelernt, die gemeinsam mit der Universität für ihre Region etwas verändern wollen. Der Wert der Hochschulen als wissenschaftliche und auch wirtschaftliche Impulsgeberin wird wahrgenommen. Die Region empfinde ich als offen - und die Personen, mit denen ich zu tun habe, als sehr engagiert.

Aber das wird von außen oft anders wahrgenommen…

Die Universitäts-Allianz Ruhr, zu der sich die UDE mit den Partnerunis in Dortmund und Bochum zusammengeschlossen hat, ist ein echtes Pfund. Sie ist mittlerweile bundesweit zu einer Marke geworden. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut und die Rektoren und Kanzler treffen sich regelmäßig. Und mit dem gemeinsam gegründeten Forschungs-Verbund (Research-Alliance), für die das Land 75 Millionen Euro zur Verfügung stellt, wird das noch einmal deutlich aufgewertet. Das gibt uns die Chance, in der Forschung international sichtbarer zu werden. Aber mir liegt nicht nur die Forschung am Herzen, sondern auch die Campusentwicklung.

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Was meinen Sie damit?

Ich möchte, dass die Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und alle Mitarbeitenden stolz darauf sind, an der Uni Duisburg-Essen zu sein. Dazu benötigen wir weitere identitätsstiftende Maßnahmen und Verbesserungen auf dem Campus. Ich denke an Cafés, Bänke und Tische, Treffpunkte für Gespräche, Veranstaltungen, Sport und Kultur. Man könnte zum Beispiel einen Außenhörsaal einrichten, Public Viewing auf dem Campus. Da wäre in Duisburg und in Essen sehr vieles möglich. Die Menschen sollen sich an ihrer Uni wohlfühlen.

>>>> Zur Person

Barbara Albert ist eine renommierte und preisgekrönte Professorin für Anorganische Chemie. Sie war seit 2019 Vizepräsidentin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der TU Darmstadt. Außerdem ist sie Aufsichtsrätin bei Evonik Industries und der Schunk Group und war als erste Frau Präsidentin der Gesellschaft Deutscher Chemiker.

Ihr Chemiestudium hat sie in Bonn absolviert, wo sie promoviert wurde und sich habilitierte. 2001 ging sie als Professorin für Festkörperchemie und Materialwissenschaften an die Uni Hamburg, 2005 wechselte sie an die TU Darmstadt. Barbara Albert ist verheiratet und hat einen 18-jährigen Sohn.