Düsseldorf. Die Zahl der infizierten Kita-Kinder hat sich in NRW von Dezember bis Januar verfünffacht. Eltern wollen Personal entlasten und aushelfen.

Angesichts der massiv angestiegenen Corona-Fallzahlen in NRW mehren sich die Forderungen von Trägern, die Teststrategie in Kitas zu verändern. Das Testen verlaufe von Stadt zu Stadt unterschiedlich, kritisierte Jürgen Otto, Awo-Vorstand im Bezirk Niederrhein. Nötig sei eine verbindliche landesweite Strategie. Kurzfristig seien zudem flächendeckende, regelmäßige Lolli-Schnelltests in den Einrichtungen denkbar, so Otto am Mittwoch.

Stefan Jentgens, Vertreter der Kita-Träger innerhalb der Freien Wohlfahrt NRW und Aachener Caritas-Chef, forderte, Eltern sollten stärker in die Testverpflichtung genommen werden, um das System „Kita“ arbeitsfähig zu halten.

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In den Kindertageseinrichtungen in NRW verschärft sich die Corona-Lage zunehmend. Von Dezember bis Januar hat sich die Zahl infizierter Kinder verfünffacht. Laut aktuellen Lagebericht des NRW-Familienministeriums wurden im Januar mehr als 15.000 Infektionen bei den Kindern gemeldet (Dezember: 3014). Das ist nicht nur der höchste gemeldete Infektionsstand seit Beginn der Abfrage. Im Januar sind damit auch mehr Infektionen gezählt worden als im gesamten vergangenen Jahr gemeldet worden sind – Doppelmeldungen eingeschlossen.

Corona in NRW-Kitas: 168 Einrichtungen blieben im Januar täglich geschlossen

Auch die Zahl der Corona-infizierten Beschäftigten in den Einrichtungen hat massiv zugenommen. Sie verfünffachte sich beinahe von 1798 auf 8406 – auch das ein Höchststand. An einem durchschnittlichen Werktag im Januar mussten 168 Einrichtungen ganz (rund 44) oder teilweise (rund 124) wegen der Pandemie geschlossen bleiben. Das sind mehr als doppelt so viele als im Dezember.

Dabei ist das Bild des Landes nicht einmal vollständig, da etwa die Hälfte der 10.600 geförderten Kitas in NRW keine Rückmeldung gegeben hat. Auch ist die Infektionslage in den Tagespflegen für Kinder unter drei Jahren im Lagebericht nicht erläutert. Vom Netzwerk Kindertagespflege NRW heißt es, dass die Infektionen derzeit „massiv“ nach oben gingen.

Caritas: Es geht darum, die Aufsichtspflicht sicherzustellen

Diözesancaritasdirektor Jentgens beschreibt die Lage in den Kitas als angespannt. Der herrschende Fachkräftemangel werde durch die Personalausfälle infolge von Infektionen, Quarantäne und notwendiger eigener Kinderbetreuung verstärkt. Bei der Ausfallquote spricht er von einer nicht näher bestimmten Dunkelziffer. „Die Beschäftigten sind am Limit. Ihr Wille, die Einrichtungen offen zu halten, ist aber groß“, sagt Jentgens. Am Ende entwickle es sich dazu, die Aufsichtspflicht nur noch sicherzustellen. „Das hat mit einer Betreuung im Sinne der frühkindlichen Bildung nichts mehr zu tun“, so Jengtens.

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Einen Hinweis auf die Lage gibt der Kita Zweckverband, Träger von 256 Kindertageseinrichtungen im Bistum Essen mit rund 16.000 Betreuungsplätze für Kinder und etwa 3.000 beschäftigten. Aktuell seien rund 90 Prozent der Kitas personell nicht voll besetzt, auch infolge der Pandemie. Landesweit berichten Eltern, dass Kitas infolge der Personalsituation in den Notbetrieb gingen.

Zehn von 13 Beschäftigten fallen aus: Personalnöte vor Ort

Was das vor Ort heißt, zeigt das Beispiel des AWO-Familienzentrums „Wackelzahn“ in Bergkamen. Innerhalb weniger Tage seien die Infektionszahlen dort so massiv nach oben gegangen, dass sie die Reißleine gezogen habe, sagt Kita-Leiterin Adriane Gumprich. „Wir haben Eltern gebeten, die Kinder zu Hause zu betreuen und nur noch eine Notgruppe für zehn Kinder angeboten“, sagt die 27-Jährige.

Problematisch seien bald vor allem die viele Ausfälle unter den Beschäftigten gewesen. „In der Hochphase konnten drei von 13 Mitarbeitern zur Arbeit gekommen. Mich haben Eltern angefleht, die Einrichtung wieder zu öffnen, aber das wäre unter den Umständen nicht zu verantworten gewesen“, sagt Gumprich. Sie wisse um die hohe Belastung der Eltern, die sie regelmäßig über eine App auf dem Laufenden gehalten hat. „Wir haben viel Verständnis erfahren.“

Eltern wollen ehrenamtlich helfen

Eltern versuchen zu unterstützen. „Die Not in den Einrichtungen ist groß und die Eltern, die das zeitlich können, wollen helfen“, sagt Daniela Heimann vom Landeselternbeirat NRW. Konkret gebe es vermehrt Angebote, ehrenamtlich in den Kitas auszuhelfen. Die Umsetzung indes sei äußerst schwierig.

Die ersten Städte reagieren auf die aktuelle Infektionslage. Die Stadt Herne, die im Ruhrgebiet eine der höchsten Inzidenzen hat und allein in den Kitas 167 infizierte Kinder und 123 betroffene Beschäftigte benennt, hat im Krisenstab schärfere Testregeln für Kitas beschlossen. Im Fall mehrerer Infektionen in einer Gruppe will die Stadt sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Eltern der anderen Kinder ihren Nachwuchs wie vorgeschrieben zu Hause testen. Stattdessen will die Stadt auf Bürgertests oder beaufsichtigte Schnelltest in den Kitas setzen.

Nach Auskunft der Stadt befürwortet das Land diesen Schritt zwar, hat zugleich aber auf mögliche Änderungen in der Corona-Betreuungsverordnung verwiesen.

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Stamp lehnt präventive Testpflicht ab - SPD kritisiert „Tatenlosigkeit“

Einer generellen präventiven Testpflicht hat NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) bereits eine Abfuhr erteilt. In einem Brief an Kita-Eltern schrieb Stamp Anfang der Woche, er habe große Sorge, dass durch eine Testpflicht dauerhaft jene Kinder von den frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten auszuschließen, die womöglich in besonderer Weise von diesen profitieren.

Dennis Maelzer, familienpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, wirft der Landesregierung Ratlosigkeit und Tatenlosigkeit vor. Sie habe entweder zögerlich oder gar nicht reagiert. „Von einer Landesregierung erwarte ich Entscheidungen im Sinne und zum Wohle der Kinder und Familien in NRW“, so Maelzer.