Der Landtag NRW debattierte am Freitag über das Test-Chaos an Schulen. Ministerin Gebauer wehrt sich, auch gegen den Ruf nach Wechselunterricht.

Die kurzfristigen Änderungen beim Corona-Testverfahren für Grundschüler in NRW haben Verwirrung, Frust und viel Kritik ausgelöst. Die neuen detailreichen Test-Regelungen gelten seit dieser Woche Mittwoch für die Primarstufe, waren als „Strategie 2.0“ aber erst am späten Dienstagabend bekanntgemacht worden.

Neu ist im Kern, dass bei Grundschülern nach einem positiven Pool-Ergebnis der Klasse bei den Lolli-PCR-Tests nur noch mit einzelnen Schnelltests nachgetestet wird. Bisher hatten Schüler zusätzlich noch einzelne PCR-Rückstellproben abgegeben, die bei einem positiven Pool-Ergebnis rasch in einem zweiten Schritt in den Laboren überprüft worden waren, um infizierte Kinder zu identifizieren.

Landtag NRW: Schulministerin hält an Präsenzunterricht fest

In einer "Aktuellen Stunden" des Landtags forderte die SPD von der Landesregierung Klarheit über das künftige Vorgehen bei den Corona-Testungen in den Schulen. Die Sitzung, die am Freitag um 10 Uhr begann, war in einem Livestream übertragen worden (externer Link).

In der vielfach emotionalen, zeitweise von Zwischenrufen geprägten Debatte kamen vereinzelt auch konstruktive Vorschläge zur Sprache. Letztlich aber dominierten gegenseitige Vorhalte der Rednerinnen und Redner über angebliche Verfehlungen im Umgang mit der Pandemie an den Schulen in NRW.

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) räumte in der Debatte eigene Fehler in der Kommunikation ein. Ihr sei bewusst gewesen, dass die kurzfristige Änderung des Testverfahrens, die am Dienstagabend bekannt gemacht worden war, für Unmut sorgen werde, räumte Gebauer ein: "Das musste ich aber angesichts der Dynamik der Situation in Kauf nehmen", erklärte sie. Die Omikron-Variante habe die Lage verändert und mache es nötig, Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen auch kurzfristig anzupassen.

Gebauer kritisiert Kritik an Schulpolitik: "Schulen brauchen Beständigkeit und Ruhe"

Gebauer erklärte, Schulen benötigten "Beständigkeit und Ruhe." Beides sei angesichts von Corona schwierig, zu bewahren. Es seien jedoch vor allem Vorwürfe der Opposition an der Qualität verwenderter Tests und dem Handel der Landesregierung, die für Unruhe sorgten, griff Gebauer SPD und Grüne an. Forderungen nach Distanzunterricht bzw. Wechselunterricht nehme die Ministerin mit Befremden wahr, sagte Gebauer: Alles andere als Präsenzunterricht diene nicht dem Wohl der Kinder. Gebauer hob hervor, Kritik am Testsystem an den Schulen in NRW sei "grober Unfug". Jede Woche würden 1,8 Millionen Schülern nach wie vor "reibungslos" und mehrmals in der Woche im Unterricht auf Corona getestet, sagte Gebauer. Über 200 Menschen versorgen auf über 400 Routen jede Woche flächendeckend alle Schulen mit Lollitests. Die Logistik laufe reibungslos und sei eine "große Gemeinschaftsleistung" von Schulen, Schulträgern, Eltern und Kindern und den Laboren.

SPD-Vorschlag: Corona-Test an Schulen nach Hause verlagern

Jochen Ott, schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion hatte zum Auftakt der Plenardebatte "eine niemals dagewesene Lage an den Schulen seit Ende des zweiten Weltkriegs" beklagt. Das Vertrauen in die Schulen und die Schulpolitik in NRW "schwindet von Tag zu Tag". Dass die sich täglich zunehmend auftürmende Omikron-Welle die Labore in Nöte bringe, sei zu erwarten gewesen, kritisierte Ott. Die Landesregierung aber habe sich unvorbereitet gezeigt, "obwohl der jetzige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schon seit dem Sommer vergangenen Jahres vor der jetztigen Entwicklung gewarnt hat."

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Ott schlug vor, angesichts der Lage mindestens für vorerkrankte Kinder weiterhin PCR-Tests in den Schulen zu ermöglichen. „Am besten wäre es natürlich, die PCR-Einzeltests auszuweiten und zusätzliche Kapazitäten zu schaffen, keine Frage“, sagte Ott im Landtag. „Wenn das nicht geht, ist aber auch deutlich, dass nun die Einzeltestungen von den Schulen nach Hause verlagert werden müssen.“ Zudem "können (wir es) den Lehrkräften nicht zumuten, alle Kinder selber in der Schule zu testen, in dem Wissen, dass mindestens ein Kind positiv ist“, sagte Ott: „Das ist ein bisschen wie Roulettespiel.“ Eine mögliche Alternative sei es, die Kommunen um Hilfe zu bitten und die Schüler vor Unterrichtsbeginn in Testzentren zu testen. Denkbar sei auch ein komplettes Aussetzen der PCR-Pool-Tests an Grundschulen und die Umstellung auf Schnelltests, wie sie bereits in weiterführenden Schulen genutzt werden, sagte Ott. „Das ist nicht die beste Lösung für die kleineren Kinder, aber es wäre wenigstens eine Lösung.“

Test-Chaos an Schulen: CDU gibt dem Bund die Schuld

In einem emotional geprägten Redebeitrag plädierte die CDU-Abgeordnete Claudia Schlottmann dafür, entspannt zu bleiben. Ihr Vorredner von der SPD habe "den Untergang des Abendlandes an die Wand gemalt." Sie spielte den Ball zurück an den Bund: Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe es leider vermieden, Schülerinnen und Schüler zu den vulnerablen Gruppen zu zählen, damit PCR-Tests auch für sie priorisiert verfügbar seien. Die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung sei aber durch den Bundesgesundheisminister gezwungen worden, ihre Teststrategie zu ändern. Es gehe nun darum, die Dinge nicht "schlecht zu reden", sondern anzupacken, forderte Schlottmann.

Grüne: "Omikron bestimmt schon längst die Lage an den Schulen"

"Es muss unser Ziel sein, die Infektionsraten an den Schulen so niedrig wie möglich zu halten", forderte Sigrid Beer, schulpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag NRW. "Das Unwohlsein von Kindern und Eltern ist mit Händen zu greifen, auch beim Lehrpersonal", konstatierte Beer. Die nun gewählte Test-Strategie der Landesregierung sei eine Zumutung, verwies Beer an aktuelle Aktionen von Schulen, die am Freitag weiße Flaggen in ihre Fenster hängen haben, weil sie sich in der Bewältigung des Schulbetriebs vom Land allein gelassen fühlen. Beer forderte "mehr Flexibilität im Umgang mit der Pandemie für die Schulen und mehr Eigenverantwortung": Wechselunterricht etwa dürfe kein Tabu mehr sein, das Bilden "stabiler Lerngruppen" vor Ort, für mehr Schutz der Schülerinnen und Schüler vor Infektionen, solle möglich gemacht werden. "Omikron bestimmt schon längst die Lage", erklärte Beer in einer kämpferischen Rede. Es sei deshalb an der Zeit, "über Wechselunterricht zu reden". Beer bot der Landesregierung zudem einen "Schulterschluss" an, nur gemeinsam mit der Opposition von Grünen und SPD sei die Lage in den Griff zu bekommen.

FDP: Wechsel der Test-Strategie war "unausweichlich"

Über Schulschließungen und Einschränkungen beider Präsenzpflicht zu reden, sei "komplett falsch", entgegnete Franziska Müller-Rech, schulpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Landtag. Die Landesregierung habe mit den flächendeckenden Lolli-Tests das "bundesweit beste Test-Modell" an den Schulen gestartet. Nun aber kommen die Labore bundesweit an ihre Belastungsgrenze, sagte Müller-Rech. Es sei jedoch klar, dass sich NRW nun keinen Alleingang erlauben könne, "etwas anderes hätten Sie als Opposition sofort als 'Flickenteppich' kritisiert", sagte Müller-Rech. Dass Nachtestungen an den Grundschulen nur noch mit Antigentests erfolgen können, sei angesichts der Lage zwar "äußerst bedauerlich", aber unausweichlich, sagte Müller-Rech. "Wir wollen und werden die bestmögliche Lösung für unsere Schülerinnen und Schüler finden", schloss die FDP-Politikerin ihren Beitrag.

AfD unterstellt Parteien, sich durch Corona bereichert zu haben

Für die AfD wetterte der Abgeordnete Helmut Seifen, gegen die "irre Pandemelodie", die die SPD mit ihrem Antrag auf die Aktuelle Stunde. Er nahm Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) vor den Anwürfen von SPD und Grünen in Schutz, sie forderten von ihr die "Quadratur des Kreises". Alle Maßnahmen hätten hingegen laut AfD "keinerlei medizinische Wirkung", behauptete Seifen. Die Landesregierung und SPD und Grüne seien mit den von ihnen veranlassten oder geforderten Corona-Maßnahmen selbst Schuld daran, dass die Labore nun an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen und unterstellte den genannten Parteien, sie hätten womöglich von Pharmaunternehmen und anderen Parteispenden kassiert und sich "eine Goldene Nase verdient". Das löste heftige Zwischenrufe aus; Landtagspräsident André Kuper stellte kurzfristig Seifen das Mikrofon ab und appellierte an das Plenum, wieder zur Ruhe zu kommen.

(dae)