Düsseldorf. Rückstellproben von Grundschülern können nicht mehr schnell genug ausgewertet werden. Was das Schulministerium bei positiven Pooltests plant.
Angesichts der stark steigenden Corona-Infektionszahlen in Nordrhein-Westfalen ist das bisherige Lolli-Testverfahren an den Grund- und Förderschulen gescheitert. Die völlig überlasteten Labore sind am Dienstag in einzelnen Städten überraschend dazu übergangen, die Zweitproben von positiv getesteten Schülergruppen gar nicht mehr auszuwerten.
"Aufgrund der aktuell stark steigenden Fallzahlen können die an Grund- und Förderschulen zusammen mit den Pool-Tests abgegebenen Rückstellproben der Schülerinnen und Schüler in den Laboren zurzeit nicht mehr ausgewertet und positive Pools nicht aufgelöst werden“, bestätigte das Schulministerium auf Anfrage unserer Redaktion.
Lolli-Tests an NRW-Schulen: Bei positivem Pooltest soll der Selbsttest her
Wegen der hohen Positivrate von zum Teil über 20 Prozent der Pooltestungen und der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplanten Priorisierung der knappen Laborkapazitäten für vulnerable Gruppen und die kritische Infrastruktur müsse das bisherige Verfahren beendet werden, erklärten zuvor mehrere Kommunalverwaltungen.
Laut Schulministerium sollen Schüler, deren Pooltest positiv ausfällt, jetzt nicht mehr auf eine individuelle Laborbestätigung warten müssen, sondern stattdessen am nächsten Tag zu Unterrichtsbeginn mit Antigenschnelltests getestet werden. Alternativ können sie das negative Testergebnis einer Bürgerteststelle vorlegen, um am Unterricht teilnehmen zu können, hieß es weiter. Kinder mit positivem Corona-Schnelltest sollen sich in häusliche Isolation begeben. Es sei keine Abgabe von Einzel-PCR-Rückstellproben an die Labore mehr vorgesehen, teilte das nordrhein-westfälische Schulministerium am Dienstagabend mit. An Förderschulen bleibt das bestehende Testsystem den Angaben zufolge erhalten.
Schulministerin Gebauer hält an Präsenzunterricht fest
Die Anpassungen seien notwendig geworden, um die PCR-Laborkapazitäten für vulnerable Gruppen freizugeben, begründete Schulministerin Yvonne Gebauer den Schritt am Montag. „Es bleibt weiterhin das oberste Ziel, auch unter diesen schwierigen Bedingungen gerade unsere jüngsten Schülerinnen und Schüler im Präsenzunterricht zu halten - und gleichzeitig bestmöglichen Infektionsschutz zu gewährleisten“, sagte die FDP-Politikerin weiter.
Die NRW-CDU sieht in der Frage auch die Bundesregierung in der Verantwortung: Es sei zwar richtig, Krankenhausbeschäftigte, Pflegebeschäftigte und Menschen in der Eingliederungshilfe und der Behindertenpflege bei den PCR-Tests bevorzugt zu berücksichtigen, teilte der nordrhein-westfälische CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen mit. Aber: „Wir sind enttäuscht, dass PCR-Tests an Schulen und Kitas nicht auf der Prioritätenliste der Bundesregierung stehen.“ Der Bund müsse umgehend die Rahmenbedingungen schaffen, dass die Laborkapazitäten ausgebaut werden.
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Eltern empört: Kinder konnten nicht zur Schule gehen
Viele Eltern reagierten verärgert auf die unerwartete Nachricht, da zahlreiche Kinder durch die Engpässe in den Laboren seit Tagen nicht zur Schule gehen konnten. „Was ist das für ein Krisenmanagement von der Landesregierung, dass so eine Entscheidung von den Laboren kommuniziert wird und nicht im Vorfeld über das Ministerium oder die Schulaufsicht“, empörte sich Duisburgs Krisenstabsleiter Martin Murrack (SPD).
„Die schwarz-gelbe Landesregierung sorgt erneut für Chaos in den Schulen“, kritisierte Sigrid Beer, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion. Die Opposition aus SPD und Grünen hatte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bereits ein chaotisches Testmanagement vorgeworfen. Schnelle Lolli-Test-Auswertungen galten als Sicherheitsnetz für das unbedingte Festhalten der schwarz-gelben Landesregierung am Präsenzunterricht trotz explodierender Infektionszahlen.
SPD und Grüne kritisieren Chaos bei Corona-Tests
Der SPD-Oppositionsführer im nordrhein-westfälischen Landtag, Thomas Kutschaty, hat der CDU/FDP-Landesregierung Chaos bei der kurzfristigen Umstellung des Corona-Testsystems an den Grundschulen vorgeworfen. „An unseren Grundschulen ist das Testregime regelrecht zusammengebrochen“, sagt Kutschaty am Mittwoch. „Kinder konnten nicht zur Schule, Eltern nicht zur Arbeit.“ Die Verunsicherung sei am Mittwochmorgen groß gewesen.
Kutschaty warf Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) und Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ein „Kommunikationschaos“ vor. Die Bund-Länder-Pläne zur Priorisierung bei den PCR-Tests seien bereits am Montag bekannt gewesen. Schon da sei klar gewesen, dass die Schulen nicht zu den Institutionen mit Vorrang bei den zuverlässigeren PCR-Tests gehören würden. Aber erst am späten Dienstagabend sei die betreffende Schulmail zum künftigen Test-Verfahren an die Schulen gegangen.
Auch nach Worten der Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul fehlt der Regierung Wüst eine „klare Kommunikation und gutes Krisenmanagement“. Nach zwei Jahren Pandemie sei die Landesregierung weiter denn je davon entfernt, Verlässlichkeit in ihr Krisenmanagement zu bringen. Eine Schulmail von Dienstagabend um 22.14 Uhr mit Wirkung zum nächsten Mittwochmorgen „toppt noch alle bisherigen Schulmails, die am Freitagabend nach Dienstschluss versendet wurden“, sagt Paul.
Verfahren wurde erst nach den Weihnachtsferien umgestellt
Erst zum Schulstart nach den Weihnachtsferien hatte Gebauer die zweimal wöchentlich verpflichtend für landesweit 750.000 Grund- und Förderschüler stattfindenden Lolli-Tests umgestellt. Statt nur einer gaben die Schüler seither morgens zwei Proben ab. Die zweite sogenannte individualisierte Rückstellprobe kam nur zur Auswertung, falls der Pooltest ein positives Ergebnis aufwies.
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In diesem Fall sollten die Labore noch am selben Tag die individuelle Auswertung vornehmen. Alle Schüler, deren Test negativ ausfällt, sollten bis zum nächsten Morgen informiert werden und wieder in die Schule gehen können. Vorher hatten alle Kinder bis zum Abschluss der Nachtestungen am Folgetag in häusliche Isolation gehen müssen, was zu mindestens einem Tag Schulausfall für die gesamte Klasse führte.
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Das Problem nach der Systemumstellung: Die Labore kamen mit der Auswertung der Rückstellproben nicht nach, so dass manche Klassen sogar tagelang auf die individuellen Ergebnisse warteten. Das Schulministerium hatte zwölf Labore für die Betreuung von rund 3.000 Schulen beauftragt.
In einigen Kommunen kommen auch Lolli-Pool-Testungen mittels PCR-Verfahren in Kitas zum Einsatz. Die Landeshauptstadt Düsseldorf bekrätigte auf Nachfrage der dpa, es seien zur Zeit ausreichend Kapazitäten vorhanden, um positive Pools weiterhin in Einzeltests aufzulösen. Die Stadt Dortmund hatte am Montag angekündigt das Verfahren nur noch einmal statt wie bislang zweimal wöchentlich durchzuführen. (mit dpa)
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