Düsseldorf. Der Booster-Erlass sorgt für Verwirrung in NRW. Ärzte und Verantwortliche sind irritiert über den Erlass der Landesregierung Ein Überblick.
Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) hat die Nachricht, dass die Booster-Frist in NRW generell auf vier Wochen verkürzt worden sei, dementiert. „Wie in der entsprechenden Stiko-Empfehlung vom 2. Dezembervorgesehen, betrifft die Kurzfrist weiterhin nur schwer immundefiziente Personen, bei denen die Gabe der Auffrischimpfung bereits vier Wochen nach der Zweitimpfung erfolgen kann“, erklärte ein Sprecher der KVNO auf Nachfrage dieser Redaktion.
Auch die Praxen handhabten dies in ihrem Versorgungsalltag bereits entsprechend. Das NRW-Gesundheitsministerium habe nun auch die Kommunen diesbezüglich angewiesen.
"Allgemeine Boosterung nach vier Wochen macht keinen Sinn"
„Eine allgemeine Boosterung schon vier Wochen nach der Zweitimpfung auch bei „Gesunden“ macht aus medizinischer Sicht keinen Sinn“, stellte die KVNO klar. Hier gelten demnach die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Abstände von in der Regel sechs Monaten, gegebenenfalls auch schon nach fünf Monaten. Die Kassenärzte gehen davon aus, dass sich das NRW-Gesundheitsministerium dazu präzisierend äußern wird.
Auf jeden Fall sorgt der Booster-Erlass für Verwirrung in NRW. Irritiert blicken viele Ärzte und Verantwortliche in den Städten auf den Erlass der Landesregierung zum Impfen. Ein Überblick:
Was steht in dem umstrittenen Erlass?
Das NRW-Gesundheitsministerium schreibt darin, das sich Impfwillige ab sofort in NRW bereits nach vier Wochen und nicht mehr, wie bisher, erst nach frühestens fünf Monaten eine Auffrischungsimpfung (Booster) geben lassen können. Das Schreiben wurde an die Kommunen sowie an viele Verbände mit medizinischem Hintergrund verschickt. Wörtlich heißt es: „Im Rahmen der Impfangebote der Kreise und kreisfreien Städte werden Auffrischungsimpfungen für Personen angeboten, bei denen die Grundimmunisierung fünf Monate zurückliegt. Personen, bei denen die Grundimmunisierung weniger als fünf Monate zurückliegt, sind jedoch nicht zurückzuweisen und ebenfalls zu impfen – sofern ein Mindestabstand von vier Wochen erreicht ist.“
Heißt das, das sich jeder wenige Wochen nach der Zweitimpfung boostern lassen kann?
Im Kern heißt es das. Es geht darum, dass niemand, der zum Beispiel in einer Impfstelle nach der Auffrischungsimpfung fragt, zurückgeschickt wird. Bisher mussten Impfwillige, deren Immunisierung zum Beispiel vier Monate zurückliegt, ungeimpft wieder gehen. Das NRW-Gesundheitsministerium weist allerdings darauf hin, dass es sich bei den vier Wochen nur um eine Untergrenze handele, „die ausdrücklich keine Empfehlung darstellt“.
Ist damit die Sachlage klar?
Offenbar nicht. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) hat die Nachricht, dass die Booster-Frist in NRW generell auf vier Wochen verkürzt worden sei, am Dienstag sogar dementiert. „Wie in der entsprechenden Stiko-Empfehlung vom 2. Dezember vorgesehen, betrifft die Kurzfrist weiterhin nur schwer immundefiziente Personen, bei denen die Gabe der Auffrischimpfung bereits vier Wochen nach der Zweitimpfung erfolgen kann“, erklärte ein Sprecher der KVNO gegenüber dieser Redaktion. Auch die Arztpraxen handhabten dies so. Das NRW-Gesundheitsministerium habe nun auch die Kommunen diesbezüglich angewiesen. In NRW würden weiter die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Abstände von in der Regel sechs Monaten, gegebenenfalls auch schon nach fünf Monaten gelten.
Ist so frühes Boostern sinnvoll?
Nein, darin sind sich die Experten einig. „Eine allgemeine Boosterung schon vier Wochen nach der Zweitimpfung auch bei ,Gesunden‘ macht aus medizinischer Sicht keinen Sinn“, stellte die KV Nordrhein gegenüber dieser Zeitung klar.
Der Virologe Prof. Ulf Dittmer von der Uniklinik Essen sagte: „Ich bin über diesen Erlass verwundert, weil er nicht auf wissenschaftlichen Daten basiert. Daten von Biontech legen nahe, dass zwischen der zweiten Impfung und Booster mindestens zwei bis drei Monate liegen sollten. Sonst ist die Immunantwort nach dem Booster nicht optimal. Wir kennen sowas auch von anderen Impfstoffen.“ Es mache aus Sicht unseres Immunsystems keinen Sinn, den Booster zeitlich immer schneller nach der Zweitimpfung anzubieten, so Dittmer. Bei „Immunsupprimierten“, also bei Menschen, deren Immunsystem stark geschwächt ist, sei dies völlig anders, und die Situation könne kaum mit der von Immungesunden verglichen werden. Dass sich die NRW-Landesregierung bei ihrem Erlass ausgerechnet auf eine Stiko-Empfehlung zu „immundefizienten Personen“ beruft, ist für Dimmer „unverständlich“.
Zur Erklärung: Das NRW-Gesundheitsministerium schrieb in dem Erlass, der neue Mindest-Impfabstand von vier Wochen in NRW orientiere sich an der aktuellen Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) STIKO zu COVID-19-Impfungen, wonach eine Auffrischungsimpfung bei schwer immundefizienten Personen mit einer erwartbar stark verminderten Impfantwort bereits vier Wochen nach der zweiten Impfstoffdosis als Optimierung der primären Impfserie verabreicht werden kann.
Sind alle Ärzte mit dem Erlass unzufrieden?
Nein, ein Teil der Ärzteschaft knüpft daran Erwartungen. „Wir erhoffen uns eine Entzerrung der Impftermine für die kommenden Monate“, erklärte Monika Baaken, Sprecherin des Hausärzteverbandes Nordrhein. Die Ärzte rechnen bisher mit einer „Bugwelle“ in den Monaten Januar bis März 2022 von Booster-Impfwilligen, die im Spätsommer oder Frühherbst die Zweitimpfung bekamen. Der Erlass trage möglicherweise zu einer besseren Verteilung der Impfungen bei.