Düsseldorf/Essen. Die Freude über den Studienstart nach drei Pandemie-Semestern konnten auch technische Pannen wenig trüben. „Wir wollen das Studium erleben.“

In NRW sind rund 765.000 Studierende in einen Hochschulbetrieb voller Tücken gestartet. Nach drei überwiegend online organisierten Semestern soll der akademische Nachwuchs erstmals wieder in Präsenz lernen. Konsequenz: Auf den Campus treffen sich gleich mehrere Jahrgänge, die ihre Uni praktisch noch nicht von innen gesehen haben. Corona-Kontrollen machen den Beginn des Wintersemesters kompliziert, und der Wohnungsmarkt in Uni-Städten ist angespannter denn je.

An allen Hochschulen gilt die 3G-Regel: Nur wer geimpft, genesen oder aktuell getestet ist, darf an Präsenzveranstaltungen teilnehmen. Während nach eigenen Angaben an den meisten Hochschulen im Ruhrgebiet der Start ins erste Präsenzsemester weitgehend reibungslos ablief, prägten auf dem Campus der Uni Duisburg-Essen am Vormittag lange Schlangen das Bild.

G3-Kontrollsystem überlastet

Vor den Check-In-Schaltern, wo die Studierenden ihren Impfstatus nachweisen müssen, was anschließend auf einer Smartphone-App registriert wird, mussten die Studierenden teils lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Der zentrale Computer-Server der Uni stellte offenbar wegen Überlastung seinen Dienst ein. Folge: Mitarbeitende der Hochschulverwaltung mussten die Daten jedes Studierenden per Hand auf eine grüne Karte übertragen. Nur mit dieser kamen sie dann an den Wachleuten vorbei.

„Bei den Einführungsveranstaltungen letzte Woche lief das System noch problemlos“, teilte eine Sprecherin der Uni Duisburg-Essen mit. Vermutlich sei eine hohe Zahl von Zugriffen die Ursache gewesen. An der Ruhr-Uni Bochum sowie an der TU Dortmund, wo am Montag Tausende Erstsemester im Fußballstadion von Rektor Manfred Bayer begrüßt wurden, gab es keine technischen Probleme.

Problematische Mischung zwischen Online- und Präsenzangeboten

„Die Kontrolle der 3 G-Regeln an den Unis muss praktikabel sein“, sagte Ayla Çelik, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dieser Redaktion. Studierende dürften nicht den ganzen Tag in Warteschlangen verbringen, und es könne nicht Aufgabe der Lehrenden sein, den Impfstatus von Studierenden zu kontrollieren. „Dafür braucht es zusätzliches Personal und gute technische Lösungen.“

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Problematisch ist mancherorts die Mischung von Online- und Präsenzangeboten. „In Bielefeld sollen die Fakultäten mindestens 30 Prozent ihrer Veranstaltungen vor Ort anbieten“, erklärte Jannik Meyer vom dortigen Hochschulinformationsbüro der GEW. Laut Meyer wissen viele Studierende nicht, wie sie in der Uni online studieren sollen. „Dafür braucht man einen ruhigen Lernort mit gutem Internet“, bestätigt Lisa Hildebrand, Studentin aus Münster.

Nach drei Semestern erstmals an der Uni

Für manche Studierenden ist zum Semesterbeginn alles neu, obwohl sie schon drei Semester studieren: „Ich bin das erste Mal an der Uni und ziemlich aufgeregt“, sagt Carlos Schmidt-Gonzalez. Für ihn beginnt jetzt das dritte Semester Wirtschaftsinformatik an der Uni Duisburg-Essen. „Ich hoffe, dass ich jetzt ein paar Freunde kennenlerne, bisher habe ich ja nur online studiert.“ Dass er nun täglich von Velbert anreisen muss, sei zwar umständlicher als zuvor, doch vom Unileben hat er bislang nichts mitbekommen.

Ähnlich geht es den BWL-Studentinnen Alessia (20) und Paula (19). „Wir kannten ja nur das Online-Studium. Jetzt ist es eher ungewohnt, mit vielen anderen im Hörsaal zu sitzen.“ Doch nicht alle Veranstaltungen werden künftig in Präsenz stattfinden können, sagt Paula. Die großen Vorlesungen mit mehreren Hundert Studierenden müssten weiterhin online stattfinden. „Aber wir freuen uns“, sagt Alessia, „wir sind gespannt, wollen Leute kennenlernen und das Studium erleben.“

Wachleute vor den Hörsälen

Nach drei überwiegend online organisierten Semestern kehrt das Leben in die Hochschulen zurück. In teils gut gefüllten Hörsälen und mit 3G-Kontrollen haben die Vorlesungen für rund 765.000 Studierende in NRW wieder begonnen. Die meisten Veranstaltungen sollen in diesem Wintersemester wieder in Präsenz stattfinden. Dafür müssen die Studentinnen und Studenten vorweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind.

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Deshalb stehen vor dem Hörsaalzentrum SO5 auf dem Essener Uni-Campus zwei Wachleute in gelben Westen. Sie lassen sich von den wartenden Studierenden den QR-Code auf ihrem Handy oder die grüne Karte zeigen, die ihren 3G-Status anzeigt. „Welcher Raum?“, fragt der Wachmann. „42? Ist okay, Sie können rein.“ Für Saal 59 aber gibt es keinen Einlass, der Dozent ist noch nicht da.

„Ich bin froh, dass es losgeht“

An allen Hochschulen sind solche Kontrollen Pflicht. Sie mussten Zugangskonzept ausarbeiten und sind verpflichtet, den 3G-Status der Studierenden zu kontrollieren. „Das hat die Uni gut geregelt“, findet Julia Souber, die in Essen im dritten Semester Englisch und Deutsch für das Lehramt studiert, obwohl sie gerade in einer langen Warteschlange vor dem Check-In-Schalter steht. Da das Computersystem am Morgen überlastet war, mussten Hunderte Ausweise zunächst per Hand ausgestellt werden, was zu ärgerlichen Wartezeiten führte. Nach Angaben der Uni lief das System ab dem Nachmittag aber wieder stabil.

Mit ihr in der Schlange wartet Tobias Waschke, der im fünften Semester Englisch und Musik studiert. „Der Kontakt mit den Menschen hat mir gefehlt“, sagt er. „Ich bin froh, dass es jetzt wieder losgeht.“

Studentin bittet Hochschulen um Nachsicht

Dennoch gibt es noch manche Ungewissheit. „Ab der kommenden Woche werde ich ein Seminar in Präsenz anbieten. Was mache ich, wenn ein Teilnehmer kein Bändchen am Handgelenk hat, das ihn als geimpft, getestet oder genesen ausweist? Was mache ich, wenn er oder sie den Raum nicht verlassen will?“, fragt Pia Rojahn, wissenschaftliche Angestellte der Uni Wuppertal. Das Rektorat rate für solche Fälle, die Veranstaltung abzubrechen. Aber das wäre eine sehr unangenehme Situation.

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Lena Hildebrand, Deutsch- und Politik-Studentin an der Uni Münster, bittet die Hochschulen in diesem Semester „um Nachsicht mit den Studierenden.“ Die 20-Jährige hat zwei Semester digital studiert, kannte aber bis vor Kurzem nicht einmal die Uni-Bibliothek von innen. „Das ist für alle vom ersten bis zum vierten Semester wie ein Studienbeginn“, sagt sie.

Gute Stimmung im Stadion

Jannik Meyer vom Hochschulinformationsbüro Bielefeld erzählt von zahlreichen Studienabbrechern während des Online-Studiums. „Viele sagen, sie hätten sich in dieser Zeit vom Uni-Alltag entfremdet und den Bezug zum Berufswunsch verloren.“ Ayla Çelik, NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft GEW sagt daher: „Es ist gut, dass Studierende und Lehrende wieder in Präsenz zueinander finden. Das Studium braucht das soziale Miteinander und den Diskurs. Das fehlte für viele Studierende völlig.“

Auch wenn es mancherorts noch hakt und von einem normalen Uni-Betrieb kaum die Rede sein kann, so überwiegt doch bei Dozenten und Studierenden offensichtlich die Freude über die Rückkehr an die Hochschulen. So strömten am Montag gut 3000 Erstsemester der TU Dortmund zur Begrüßung durch den Rektor ins BVB-Stadion. Im letzten Jahr musste die Traditions-Veranstaltung wegen Corona ausfallen. „Es war eine Super-Stimmung im Stadion“, erzählt Uni-Sprecherin Lena Reil. Und die 3G-Kontrolle? „Das läuft rund“, strahlt sie.