Essen. Vize-Ministerpräsident hinterfragt Pläne des Gesundheitsministers - und äußert sich zu Maskenpflicht, Laschet und Jamaika-Plänen.

Wahlkampf, Corona, Flüchtlinge - Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) hat sich im „WAZ live“-Interview mit Chefredakteur Andreas Tyrock zu vielen aktuellen Themen geäußert. Natürlich wurde er im Online-Gespräch der WAZ auch wieder mit zahlreichen kritischen Fragen unserer Leserinnen und Leser konfrontiert. Stamps wichtigste Aussagen zur…

…Maskenpflicht in Schulen: Die Landesregierung berate sich gerade mit Ärzten und anderen Experten. „Wenn die Fachleute der Meinung sind, dass es vertretbar ist, werden wir hier auch entsprechend lockern.“ Er zeigte Verständnis für die Ungeduld vieler Eltern: „Wir wissen, wie schwierig die Situation für die Kinder ist und werden es zum schnellstmöglichen Zeitpunkt aufheben.“

…Impfpflicht: „Ich bin gegen eine Impfpflicht, weil Politik glaubwürdig sein muss. Wir haben über die Parteigrenzen hinweg gesagt, wir wollen keine Impfpflicht einführen, und wir würden den Verschwörungstheoretikern Propaganda liefern, wenn man dann auf einmal davon abweicht.“

"Als Privatperson habe ich kein Verständnis, sich nicht impfen zu lassen"

…Debatte über 2G oder 3G: „Als Privatperson habe ich kein Verständnis dafür, dass man sich nicht impfen lässt“, sagte Stamp. Staatliche Beschränkungen für alle, die nicht geimpft oder genesen (2G) sind, lehnte er jedoch ab: „Wir sollten auf Überzeugen setzen und nicht auf Zwingen.“ Das gesellschaftliche Leben werde sich aber so entwickeln, dass es Nachteile für Ungeimpfte gibt.

…Quarantäne-Lohnfortzahlung: Stamp ließ überraschend Zweifel erkennen an der Haltung seines Kabinettskollegen, Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der im Quarantäne-Fall von Ungimpften keine Lohnersatzleistungen mehr zahlen will. „Ich habe noch eine gewisse Restskepsis, weil ich die Sorge habe, dass möglicherweise Infektionen dann nicht angegeben werden. Dann würde man das Gegenteil erreichen“, sagte Stamp.

NRW hat bereits knapp 1000 Menschen aus Afghanistan aufgenommen

…kostenlosen Test-Angebotsstruktur im Betrieb: „Wir haben die grundsätzliche Regelung, dass wir Mitte Oktober beim Testregime umstellen, dass es einen Beitrag dann kosten wird. Ob Arbeitgeber das freiwillig weiter für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen, das ist dann in ihrem Benehmen. Das müssen sie dann selbst entscheiden“, sagte Stamp. Eigentlich sollen am 11. Oktober nur Bürgertests kostenpflichtig werden für Ungeimpfte, die zweimal wöchentlichen Betriebstest-Angebote für Arbeitnehmer in Präsenz aber weiterlaufen.

…Afghanistan-Situation: NRW habe in den vergangenen Wochen knapp 1000 Menschen aus Afghanistan aufgenommen. Einige hätten bereits Anschluss gefunden in NRW-Städten und eine berufliche Perspektive, weil sie bereits in Afghanistan für die Bundeswehr gearbeitet hätten. Es gebiete der menschliche Anstand, dass denjenigen geholfen werde, die als Ortskräfte in Afghanistan über Jahre Deutschland geholfen hätten. „Ich rechne nicht mit einer größeren Flüchtlingsbewegung aus Afghanistan – zumindest nicht in den nächsten Monaten“, so Stamp.

Stamp hält Laschet weiter für uneingeschränkt kanzlertauglich

… Kanzlertauglichkeit Laschets: Stamp bekräftigte, dass er seinen Chef, Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), für uneingeschränkt kanzlertauglich halte. Dessen schlechte Umfragewerte erklärte er so: „Ich glaube, dass die CDU einen Riesenfehler gemacht hat, dass sie sich erst einen irrsinnig langen Vorwahlkampf um den Parteivorsitz geleistet hat und dass dann Herr Söder in einer Art und Weise, urplötzlich für sich die Kanzlerkandidatur reklamieren wollte, die ich für unanständig gehalten habe. Das hat natürlich dazu geführt, dass es gar nicht möglich war, den Menschen Armin Laschet und auch den Politiker Armin Laschet, so wie er eigentlich ist, in der Öffentlichkeit zu präsentieren.“ In der Flut-Katastrophe habe Laschet gleichwohl auch Fehler gemacht. Im Unions-Wahlkampf sei seither „sehr viel in die Improvisation geraten“.

…Jamaika-Koalition: Auch wenn Laschet hinter SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz landen sollte, würde Stamp eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen „ausdrücklich befürworten“. Laschet sei ein „sehr fairer Partner“. Da die Neigung der Grünen, die Union als Wahlverlierer im Kanzleramt zu halten, nicht besonders ausgeprägt sein dürfte, wollte Stamp aber auch ein Ampel-Bündnis nicht ausschließen: „Grundsätzlich müssen die demokratischen Parteien miteinander handlungsfähig sein und miteinander sprechen können.“