Essen. Im WAZ-Gespräch visieren die Revierpolitiker unverdrossen ein 20-Prozent-Ziel für die SPD bei der Bundestagswahl an. Ablehnung für neue Groko.

Die SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Ruhrgebiet sehen trotz konstant wenig berauschender Umfragewerte für die Gesamtpartei gute Chancen für eine SPD-geführte Bundesregierung nach der Bundestagswahl am 26. September. Auf einem virtuellen Treffen mit unserer Redaktion gaben sich die 16 Parlamentarier von der Ruhr unverdrossen siegessicher.

Dirk Vöpel, SPD-Bundestagabgeordneter aus Oberhausen.
Dirk Vöpel, SPD-Bundestagabgeordneter aus Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Foto: Lars Heidrich

„Wir haben das Potenzial, mindestens 20 Prozent erreichen zu können und damit anschließend eine Regierungskoalition anzuführen“, brachte Dirk Vöpel (Wahlkreis Oberhausen/Kreis Wesel) die Stimmung auf den Punkt. Der SPD müsse es nun gelingen, in den kommenden Wochen des Wahlkampfs zwei, drei Themen zuzuspitzen, sagte Michael Groß aus Recklinghausen. Freilich: In Umfragen liegt die SPD seit Monaten eingemauert zwischen 14 und 18 Prozent.

Olaf Scholz soll Bundeskanzler werden

Bei der Frage nach möglichen Koalitionspartnern ergibt sich unter den allesamt direkt gewählten Revier-Abgeordneten mit SPD-Parteibuch allerdings kein einheitliches Bild. Klar: Es gibt Vorlieben für eine rot-rot-grüne Koalition, aber auch eine „Ampel“ mit Grünen und Liberalen kommt in Betracht. Als gesetzt gilt, dass SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz die neue Bundesregierung anführen sollte.

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Eine Fortsetzung der in weiten Teilen der Partei ungeliebten Groko mit der Union stößt dagegen auf breiteste Ablehnung. Hört man den Revier-Politikern aufmerksam zu, erkennt man schnell ein verfestigtes Bild von ausgeprägter Abneigung und tiefsitzendem Misstrauen gegenüber dem Koalitionspartner. Nach fast acht Jahren auf derselben Regierungsbank scheinen die Gemeinsamkeiten offenbar restlos verbraucht zu sein.

Auf die Groko „keine Lust mehr“

Sabine Poschmann, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Dortmund.
Sabine Poschmann, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Dortmund. © FUNKE Foto Services | Foto: Lars Heidrich

Die Groko sei „ein ausgelutschtes Thema“, sagt etwa die Dortmunderin Sabine Poschmann. René Röspel hält Koalitionsausschlüsse vor Wahlen zwar für grundsätzlich schwierig, alle demokratischen Parteien müssten miteinander sprechfähig sein. Der Hagener ließ freilich nicht die Spur einer Sympathie für eine mögliche Neuauflage der Groko erkennen.

„Wir haben die Union vier Jahre lang wie Steine hinter uns hergezogen. Darauf haben wir keine Lust mehr“, so Röspel. Er selbst wird dem nächsten Bundestag freilich nicht mehr angehören. Röspel hatte sich bei der Aufstellung im eigenen Wahlkreis parteiintern überraschend nicht durchsetzen können.

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Auch Ralf Kapschack tritt nicht mehr an, allerdings aus Altersgründen. Umso heftiger teilte der 66-Jährige gegen den Noch-Regierungspartner aus: „Die CDU definiert sich übers Kanzleramt, die SPD über Inhalte“, sagte der Wittener. Kein Blatt vor den Mund nahm auch Markus Töns (Gelsenkirchen), der innerhalb der Unionsfraktion gar „großen Gruppen der Unfähigkeit“ begegnet sein will.

Skepsis gegenüber Koalition mit den Grünen

Doch auch mit den Grünen, mit denen man im Bund zwischen 1998 und 2005 immerhin sieben Jahre lang regiert hat, hadern die Revier-Abgeordneten erkennbar. Eine SPD-Regierungsbeteiligung unter einer grünen Kanzlerin Annalena Baerbock ist für die Politiker aus den alten, eher grünen-skeptischen SPD-Hochburgen an der Ruhr mehr oder weniger tabu.

Michael Groß, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Recklinghausen.
Michael Groß, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Recklinghausen. © FUNKE Foto Services | Foto: Sebastian Konopka

Zu einer grünen Kanzlerin dürfe es nicht kommen, betonte Michael Groß als Sprecher der Gruppe. Markus Töns nannte das Politikverständnis der Grünen „ein Stück weit blauäugig“. Mahmut Özdemir grenzte sich ebenfalls scharf ab: Auch in der Umweltpolitik brauche die SPD keine Nachhilfe von den Grünen, sagte der Duisburger.

Gute Regierungsarbeit zahlte sich nicht aus

Für die schwachen SPD-Umfragewerte machen die Abgeordneten allesamt die mangelnde Wahrnehmung ihrer in der Groko geleisteten Arbeit verantwortlich – und ärgern sich. Schließlich seien viele Regierungsbeschlüsse von der SPD gegen die Union durchgesetzt worden. Davon habe auch das Ruhrgebiet profitiert. Als Beispiele nannte Michael Groß die Millionenhilfe für den Steinkohleausstieg und den sozialen Arbeitsmarkt.

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Ohnehin sehen sich die 16 Abgeordneten als wahre Sachwalter der Ruhrgebietsinteressen in Berlin. Tatsächlich bringt keine andere Partei auch nur annähernd so viel politisches Gewicht aus dem Revier im Bundestag auf. Auch innerhalb der eigenen Fraktion sind die Ruhr-Abgeordneten ein einflussreicher Zirkel, der ganze SPD-Landesgruppen schon zahlenmäßig übertrifft. Insgesamt gibt es im Ruhrgebiet 20 Bundestagswahlkreise, vier werden von der CDU gehalten. Kandidaten der Grünen waren bei der Direktwahl vor vier Jahren hierzulande chancenlos.