Essen. Laut Barmer-Report gehen in NRW Tausende Pflegekräfte verloren, weil sie erkrankt sind oder früh verrentet werden. Gewerkschafter sind besorgt
Krankenkassen und Gewerkschaftsvertreter warnen vor einer Überlastungsspirale in der Pflege. Wenn erschöpfte Beschäftigte erkrankt ausfallen, werden ihre Kollegen und Kolleginnen zusätzlich belastet, sagte Heiner Beckmann, Landesgeschäftsführer der Barmer. „Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden, zumal die Corona-Pandemie die angespannte Arbeitssituation der Pflegekräfte noch einmal verschärft hat.“
Benjamin Jäger von der Pflegegewerkschaft Bochumer Bund fordert Arbeitgeber dazu auf, Beschäftigten den zeitlichen Druck zu nehmen und mehr Schulungsangebote für ein gesundheitsschonendes Arbeiten zu machen. „Wenn wir qualitativ hochwertig mit Eigenschutz arbeiten wollen, brauchen wir in der Pflege mehr Zeit und damit mehr Personal“, sagte Jäger dieser Redaktion.
Barmer-Report: Jedes Jahr fehlt die Arbeitskraft von 5700 Altenpflegekräften
Nach einer Auswertung der Barmer fällt jedes Jahr rein rechnerisch die Arbeitskraft von bis zu 5700 Beschäftigten in der Altenpflege in NRW weg, weil die Betroffenen krankheitsbedingt ausfallen oder früh verrentet werden. Der Krankenstand im Pflegebereich ist demnach weitaus höher als in den sonstigen Berufen.
Rund 7,4 Prozent der Fachkräfte in der Altenpflege und 8,7 Prozent der Hilfskräfte in NRW waren zwischen 2016 und 2018 im Schnitt krank gemeldet – mit 6,5 und 7,8 Prozent ist der Krankenstand in der Krankenpflege nur geringfügig besser. Zum Vergleich: Bei allen anderen Berufsgruppen liegt der Durchschnittswert laut „Barmer Pflegereport“ bei fünf Prozent.
In der Altenpflege Beschäftigte sind überdurchschnittlich häufig wegen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems wie Rückenbeschwerden und psychischen Verhaltensstörungen in Behandlung. Pflegekräfte scheiden insgesamt zudem deutlich häufiger krankheitsbedingt aus der Erwerbstätigkeit aus als Arbeitnehmer in sonstigen Berufen.
Pflegekräfte sind häufiger wegen einer Covid-19-Infektion krank geschrieben gewesen
In der Reportauswertung wird von einem Teufelskreis gesprochen: Ausgehend von einer ohnehin zu knappen Personalbemessung sei die Belastung zu hoch. Dadurch stiegen die Beanspruchung und das Erkrankungsrisiko, was zu Fehlzeiten und wiederum höheren Druck auf die verbliebenen Beschäftigten führe. In der Zeit der Pandemie hat sich diese Belastung nach Lesart des Barmer-Reports weiter verstärkt, weil Pflegerinnen und Pfleger überdurchschnittlich häufiger wegen einer Covid-19-Infektion arbeitsunfähig waren.
Beckmann kritisiert, dass viele Pflegekräfte im Rahmen ihrer Arbeitszeit keinen Zugang zu Angeboten des betrieblichen Gesundheitsmanagements hätten. Einen Weg der Entlastung sieht er in der Digitalisierung. „Um das Personal in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen langfristig zu entlasten, bieten digitale Lösungen große Möglichkeiten“, so Beckmann. Dazu zählten Assistenztechnologien in der pflegerischen Versorgung ebenso wie digitale Hilfen bei der Dokumentation und dem Austausch zwischen Pflegeheimen und Ärzten. „Hier muss die Infrastruktur weiter ausgebaut werden“, so Beckmann.